Bergen um 1880 |
Das Bergener Stadtbild ist bis auf die wenigen entstellenden Fassaden
des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des 20. Jahrhunderts ziemlich einheitlich.
Der mittelalterliche Bestand wurde zwar bis auf einige in Kellern und Brandmauern
verborgene Reste vernichtet und das Alter der heutigen Häuser geht
kaum über das 18. Jahrhundert zurück, doch entwickelten sich
diese Ackerbürger- und Handwerkerhäuser aus den letzten 200 Jahren
in einer charakteristischen Form, die das Bild der Stadt bestimmt. In den
Außenbezirken herrscht das Traufenhaus vor; dieser Typ ist in Bergen
bereits im 18. Jahrhundert zu finden, dagegen stammen die Giebelhäuser,
die sich mehr auf die Stadtmitte beschränken, vorwiegend aus dem Anfang
des 19. Jahrhunderts. Am Markt sind die Gebäude etwas aufwendiger
und häufig zweigeschossig, doch im Prinzip bleiben auch sie bei dem
allgemein üblichen Schema. Bei beiden Haustypen handelt es sich um
schlichte eingeschossige Fachwerkbauten mit Backsteinfüllungen, ausgebautem
Dachgeschoss und meist verputzter Fassade. Die niedrige Traufenhöhe
und die geringe Dachneigung verleihen den Häusern den Eindruck geräumiger
Weite. Allen gemeinsam ist der Eingangsflur in der Mitte, der über
einen schmalen Gang in Verbindung mit Hof und Garten auf der Rückseite
des Gebäudes steht. Flur und Gang erhalten nur von der Vorderseite
her Licht, entweder durch das Oberlicht der Eingangstür, oder durch
charakteristische schmale Flurfenster beiderseits der Tür. Die in
der Mitte des Hauses liegende Treppe zum Obergeschoss ist vom Flur oder
Gang erreichbar. Je nach Bedarf sind Nebengebäude bei den Giebelhäusern
(die im Stadtinneren als Reihenhäuser in der Breite beschränkt
waren) rückseitig angefügt worden; in sie wurde zuweilen auch
die Küche verlegt. Die Fassaden der Giebelhäuser sind einheitlich
gestaltet, ohne den Giebel als selbständigen Bauteil hervorzuheben.
Sie sind meist symmetrisch und weichen voneinander höchstens durch
Kleinigkeiten, wie z. B. den gelegentlich aus der Mittelachse gerückten
Hauseingang, ab. Durch die vielfach abschüssige Führung der Straßen
mussten die Häuseer oft auf hohe Sockel oder Terrassen gesetzt werden,
und dort, wo die Straßen in den Berghang einschneiden, stellte man
die Gebäude auf die Böschung und legte ihnen eine Freitreppe
vor. Da Bergen erst im 17. Jahrhundert Stadtrecht erhielt, besaß
es weder eine Stadtmauer, noch ein repäsentatives Rathaus. Entlang
den die Feldmark führenden Straßen blieben noch einige Fachwerkscheunen
mit Backsteinfüllungen erhalten, die mit Rücksicht auf die bei
ihnen vorhandene erhöhte Brandgefahr innerhalb der Stadt nicht errichtete
werdend durften. Serienhäuser für Arbeiter, wie sie die aufkommende
Industrialisierung überall mit sich brachte, entstanden nur in geringer
Zahl am Ende der Stralsunder Straße. Trotz der schlichten, oft sogar
bescheiden zu nennenden Gestaltung der Fassaden drückt sich in manchen
Einzelheiten doch ein Schmuckbedürfnis aus. Oft sind die Haustüren
das einzige Element am Bau, das mit einem gewissen Aufwand behandelt wurde.
Solche aus Eichenholz gearbeiteten Türen haben sich noch an vielen
Häusern erhalten und sind teilweise sogar in Neubauten wieder übernommen
worden. Es lassen sich einige vom Zeitstil bestimmte Grundtypen feststellen,
die aber stets doch so abgewandelt wurden, dass keine Tür der anderen
völlig gleicht. Erst seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts nahmen
die schablonenmäßig hergestellten Haustüren, deren handwerkliche
Qualität schließlich bis zur fabrikmäßig hergestellten
Massenware absank, an Zahl immer mehr zu. Eine ähnliche Entwicklung
lässt sich auch an den glücklicherweise noch vielfach erhalten
gebliebenen Türbeschlägen feststellen, die in formaler Hinsicht
gegenüber der Formenarmut der späteren Zeit bis heute noch immer
als vorbildlich gelten können. |
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