Rügen unter dänischer Oberhoheit
Während dieser Vorgänge hatte Heinrich der Löwe, der
Rival des Dänenkönigs Waldemar hier im Norden, in seinem Herzogtume
Sachsen gegen wiederspenstige Vasallen zu kämpfen und also keine Zeit,
sich um den Verlauf der Sachen an der Ostseeküste zu kümmern.
Bald erfuhr er von seinen Lehnsfürsten Pribislaw, dem Obotriten, sowie
von Kasimir und Bogislaw, wie durchaus in dänischem Interesse die
Eroberung der Insel Rügen verlaufen sei. Er war nicht der Mann, der
einen Schritt umsonst getan und freiwillig auf ihn Zukommendes verzichtet
hätte. Sobald er in Sachsen daher die Hände einigermaßen
frei hatte, schickte er zu Waldemar und ließ sich die Hälfte
der gemachten Beute sowie des jährlichen Tributes von Rügen ausbitten.
Das kam ihm ja zu, gemäß den Abmachungen von 1166. Aber Waldemar
dacht nicht daran, von seinem Raube etwas herauszurücken. So mußte
denn Heinrich der Löwe seine Ansprüche auf andere Weise herauspressen.
Er ließ Pommern und Mecklenburger gegen die dänischen Küsten
los, und diese raubten und plünderten dort schrecklich. Zwar stand
Rügen treu zu Waldemar, zwar vergalt er den Seeräubern die Schandtaten
in ihrem eigenen Lande, aber auf die Dauer konnte er Dänemark dadurch
keine Ruhe schaffen. So mußte der König denn den Forderungen
des Löwen endlich nachgeben. An der Eider kamen beide Herren 1171
wieder zusammen, und hier an der Grenze von Dänemark und Holstein
wurde über Rügen verhandelt. Waldemar teilte mit dem Herzog die
empfangenen Geiseln und den Swantewitschatz, ferner trat er ihm die Hälfte
des jährlichen rügenschen Tributes ab. Fortan schickte Heinrich
der Löwe zum Empfange desselben seine eigenen Komissare nach Rügen,
und tatsächlich war unsere Insel jetzt zwei Herren zugleich unterthänig,
dem Dänenkönig und dem Sachsenherzog. Auch in kirchlicher Beziehung
ward Rügen durch den damaligen Papst Alexander III. zwei Herren zuerteilt.
Sofort nach der Eroberung hatte nämlich Waldemar in Rom die Einverleibung
der Insel in den Sprengel des Bistums Roeskilde erwirkt; allein der Papst
war so vorsichtig gewesen, in der Urkunde zu bemerken, daß dies geschehen
solle unbeschadet etwaiger Ansprüche von anderer Seite. Nun hatte
aber auch der Bischof Berno von Schwerin an der letzten Expedition gegen
Rügen teilgenommen. Zwar hatte Absalom ihm nicht viel Spielraum für
seine Wirksamkeit gelassen, allein Berno wußte doch in Rom seine
Ansprüche geltend zu machen. In Hinblick auf ihn war jene Klausel
beigefügt, und in einer Bestätigingsbulle für den Schweriner
Bischof (1177) heißt es ausdrücklich, daß die Insel Rügen
zur Hälfte zum Schweriner Sprengel gehören solle, ebenso wie
das ganze heutige Neuvorpommern. Wo die Grenze ging, ist nicht zu sagen,
es übten fortan aber auch zwei geistliche Herren auf Rügen ihre
Gewalt aus. So hatte denn jeder, der an der Eroberung Rügens Beteiligten
wenigstens einigen Vorteil von seiner Bemühung. Nur die Pommernfürsten
gingen ganz leer aus. Heinrich der Löwe kümmerte sich nicht weiter
um sie, nachdem er mit Waldemar sich ausgelöhnt hatte. Mochten sie
selber sehen, wie sie mit den Dänen fertig wurden, die, im Grunde
genommen Heinrich ihnen ins Land gesetzt hatte. Sie wenden sich denn gegen
den jetzigen dänischen Vasallen Jaromar, den Fürsten von Rügen,
und sollen Arkona und Karenza erobert und völlig zerstört haben.
Bei einem anderen Kriegszuge sollen sie den Fürsten auf seiner festen
Burg auf dem Rugard eingeschlossen und einen Waffenstillstand erzwungen
haben. Niemals aber gelang es ihnen die Insel für sich zu erobern,
wie sie so gerne wollen, immer kam der Däne herüber, ihm waren
sie für die Dauer nicht gewachsen. Im Laufe dieser fortwährenden
Kämpfe verloren die Herzöge den nordwestlichen Teil ihres Landes,
ihn schenkte Waldemar seinem treuen Vasallen Jaromar. Sein Fürstentum
umfaßte daher außer der Insel den festländischen Distrikt
Pommern bis zur Peene. Erst nach 50jährigem Kampfe eroberten die Pommern
ein Stück davon wieder, sodaß fortan der Ryckfluß die
Grenze zwischen Pommern und dem Fürstentum Rügen bildete. Der
sonderbare Zustand einer geteilten Zinspflicht sollte für Rügen
aber nicht lange dauern. Heinrich der Löwe, bekanntlich der Urheber
seines eigenen Unglücks, wurde vom Kaiser Friedrich Barbarossa in
die Acht gethan und seiner Macht beraubt. 1181 stand Barbarossa vor Lübeck,
der letzten Stadt, die Heinrich geblieben war. Hier traf Barbarossa mit
Waldemar zusammen, hierher hatte er auch die Pommernfürsten beschieden.
Sie wurden in den Reichsverband aufgenommen und mit dem Herzogstitel beschenkt.
Es schien, als wolle Barbarossa die Rolle Heinrichs des Löwen hier
an der Ostsee übernehmen und dessen Machtansprüche für sich
geltend machen und erweitern. Auch Jaromar, der Fürst von Rügen,
war vor Lübeck erschienen im Gefolge Waldemars. Heimlich vor den Dänen
suchte der Kaiser ihn von den Dänen abzulocken, er versprach ihm sogar
den verlorenen Königstitel wieder. Aber Jaromar blieb fest. Politisch
klüger als die pommerschen Herzöge sah er den einzigen Vorteil
für sein Rügen im Anschluß an die Macht, die hier an der
Ostsee thatsächlich gebot. Wie richtig er gehandelt hatte, zeigte
sich nach einiger Zeit. Im Jahre 1182 nämlich ging der Eroberer Rügens,
Waldemar I. zur ewigen Ruhe ein. Sein Sohn Knud VI. , der ihm auf den Thron
folgte, verweigerte dem deutschen Kaiser den Huldigungseid. Dänemark
galt bekanntlich damals als Vasallenstaat des deutschen Reiches, und Waldemar
hatte in richtiger Erkenntnis seiner Schwäche zu Beginn seiner Regierung
den Huldigungseid geleistet. Das war aber Absalon von jeher ein Dorn im
Auge gewesen, und sein Werk war es, das Knud sich jetzt renitent zeigte.
Barbarossa, der wie alle Hohenstaufen keine Zeit und kein Interesse für
den Norden hatte, jedoch die Verweigerung schuldigen Ehrerweisung nicht
ungestraft hingehen lassen konnte, betraute er den Pommernherzog Bogislaw
mit der Strafvollstreckung an Dänemark. Große Hilfe wurde diesem
versprochen, um ihn zum Kampfe anzufeuern; aber als Bogislaw nun eine große
Flotte zum Angriff auf Dänemark zusammen hatte, blieb im entscheidenden
Moment der Zuzug von Seiten des Kaisers aus. So mußte der Pommernherzog
den Kampf allein beginnen. Jaromar war inzwischen wachsam gewesen. Er wußte
wohl, daß der erste Angriff der Pommern gegen sein Rügen gerichtet
sein werde, und seine Boten flogen nach Dänemark, um Hilfe zu holen,
als jetzt die pommersche Flotte in den Greifswalder Bodden segelte, und
sich bei der Insel Koos vor Anker legte. Inzwischen bewachte er mit seinen
Truppen die Südküste Rügens, er fürchtete jeden Augenblick
eine Landung, die, wie das Gerücht ging, Bogislaw gegenüber der
Insel Strela beabsichtigte. Da kam Absalom mit einer dänischen Flottenabteilung
hinüber, legte sich zunächst in der Nähe Strelas auf die
Lauer, segelte dann, als die Pommern sich immer noch nicht zeigten, nach
dem Drigge und ging hier an Land, um Gottesdienst abzuhalten, den es war
Pfingstmorgen des Jahres 1184. Da schickt ihm Jaromar Nachricht, daß
die pommersche Flotte herannahe. Ein dichter Nebel hüllte die Gegend
ein, und verbarg Absalon die Nähe des Feindes. Sogleich vertauschte
er den Priesterrock mit der Feldherrnrüstung, ließ die Schiffe
bemannen und ruderte mit den rügenschen Schiffen vereint den Pommern
entgegen. Diese sehen durch den Nebel die verschwommenen Umriße von
Schiffen herankommen und meinen, es seien ihre Freunde, die erwarteten
Mecklenburger, nicht denkend, daß Absalon so schnell könne herbeigeflogen
sein. Da verschwindet der Nebel, Dänen und Rüganer erheben ihr
Schlachtgeschrei und fallen über die nichts ahnenden Pommern her.
Ungeheure Verwirrung greift hier Platz. Ihre schweren Schlachtschiffe lassen
sich in der Eile nicht von der Stelle bringen, die Besatzung springt ins
Wasser um sich durch Schwimmen zu retten. Achtzehn Boote, vollgepfropft
mit Flüchtlingen, bersten auseinander, ihre Mannschaft findet in den
Wellen ihr Grab. Hundert Schiffen gelingt es, die Nähe der Küste
zu erreichen, die Besatzung springt an Land und sucht in den Wäldern
Zuflucht. Auf 35 Schiffen befand sich der pommersche Adel nebst Herzog,
auch sie wurden von der allgemeinen Flucht mitgerissen. Als sie aber sahen,
daß Absalon und Jaromar mit nur sieben Schiffen hinter ihnen herwaren,
schämten sie sich und wollten ihre Ehre retten. Doch sie wurden wieder
in die Flucht gejagt. Um nicht in Gefangenschaft zu geraten, werfen sie
Pferde und Waffen über Bord, die Schiffe zu erleichtern und rudern
mit rasender Eile den Bodden entlang und in die Mündung der Peene
hinein. Sie allein entkamen von der ganzen Flotte, die sich auf ungefähr
500 Schiffe belaufen haben soll, alle anderen fielen den Dänen und
Rüganern in die Hände. Das war die große Seeschlacht im
Greifswalder Bodden 1184, ungefähr an der Stelle, wo heute die Stahlbroder
Fähre liegt. Hier wurde die pommersche Seemacht für immer gebrochen
durch dänische und rügensche Tapferkeit. Ein Jahr später
beugte der vom Kaiser so schmählich im Stich gelassene Herzog sein
Knie vor dem Dänenkönig Knud, der in Begleitung Absalons und
Jaromars Kammin belagerte. Pommern ward Dänemark zinspflichtig, Jaromar
aber erhielt hierauf den oben erwähnten Teil des Herzogtums Pommern
als Lohn seiner Treue. Auf diese Zeit der Kriegsstürme folgte für
Rügen eine Zeit der Ruhe, die der Insel um so notwendiger war, als
sie sich ja erst in neue Verhältnisse einleben sollte. Daß dies
so leicht ging ist der Verdienst des Fürsten Jaromar. Er, der mit
klarer Erkenntnis von dessen Vorzüglichkeit den neuen Glauben ergriffen
hatte, wußte dem selben auch bei seinen Landsleuten schnell und gründlich
Eingang zu verschaffen. So kam es, daß auf Rügen niemals ein
Rückfall ins Heidentum stattfand, obgleich es als letztes der Ostseeländer
dem Christentume gewonnen wurde. Dem Jaromar aber brachten seine Begeisterung
und geistlichen Erfolge den Ehrennamen eines nordischen Paulus ein. Zwölf
Kirchen sollen zu seiner Zeit auf Rügen entstanden sein, darunter
sicher die zu Altenkirchen und zu Bergen. Um aber auch in anderen Glaubenswerken
nicht zurückzubleiben, gründete Jaromar auf der Insel Rügen
das erste Kloster. In der Wildnis, die damals die Höhen bedeckte,
auf welchen heute die Stadt Bergen liegt, wurde dies, ein Zistercienser-Nonnekloster,
1193 angelegt. Die Stiftungsurkunde in lateinischer Sprache ist noch heute
erhalten. Wir wollen einiges daraus anführen, da man daraus ersehen
kann, wie tief schon Jaromar in den Geist des Christentums eingedrungen
war: "Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit, des Vaters,
des Sohnes und des heiligen Geistes. Ich, Jaromar, Fürst der Rüganer,
wünsche allen treuen Christen, welche diese Zeilen lesen, ewiges Heil
im Herrn. Des allmächtigen Gottes Erbarmen entriß uns gnädiglich
dem Götzendienste, dem unsere unglücklichen Eltern noch anhingen,
brachte uns zum wahren katholischen Glauben und förderte uns in den
Segnungen seiner Gnade. Für soviele Gaben seinerseits wollen wir nicht
undankbar sein, seinen Gnadenerweisen entsprechen, soviel wir können.
Indem wir daher den Dienst seines Namens erweitern und sehr viele zu seiner
Verehrung aufrufen möchten, haben wir zu seiner Verehrung nahe bei
dem Schloß (Rugard) ein Kloster erbaut und der ruhmreichen Jungfrau
Maria durch die Hände des ehr- und gottwürdigen Bischoffs Peter
weihen lassen." ( Dieser Peter war ein Verwandter von Absalon und folgte
diesem auf den Bischofssitz von Roeskilde 1191). Jetzt folgt die Bestimmung,
daß das Kloster mit Nonnen aus dem Roeskilder Marienstift besetzt
und mit reichen Einkünften versehen ist, und zwar: "...in der
Absicht, daß sie (die Nonnen) Gott und der heiligen Mutter des Herrn
ergeben seien und durch ihr fleißiges Gebet uns deren Segen erwerben,
damit der Herr, durch ihr Gebet versöhnt, uns sowohl die Vergebung
der Sünden als den Ruhm des ewigen Lebens gewähre..." Nun werden
die Güter aufgezählt, die dem Kloster vermacht sind, unter anderem
auch eins auf Wittow, mit samt eines Eichenwalde. Ausgefertigt ist der
Schenkungsbrief im Jahre 1193 auf dem Schlosse Rugard oder im Kloster selbst.
Unter den Zeugen befinden sich Jaromars Söhne Barnutha und Witzlaw,
sowie sein Bruder Stoislaw, welcher der Ahnherr des Fürstentums zu
Putbus gewesen sei soll. Auffallend ist es, daß sich im eigenen Lande
keine Nonnen zur Besiedlung des Klosters vorfanden, sondern, da´diese
erst aus Dänemark verschrieben werden mußten. Das beweißt
uns wohl, daß die Rüganer dieser weltflüchtenden Seite
des Christentums bei all ihrem Eifer doch keinen Geschmack abgewinnen können.
Auch in seinem festländischen Fürstentum hat Jaromar in späteren
Jahren ein Kloster angelegt, im dichten Walde am Ryckfluß das Kloster
Eldena 1207. Und wie später das Marienkloster auf dem Rugard Veranlassung
zur Erbauung der Stadt Bergen gegeben hat, so ging von Eldena die Gründung
der Stadt Greifswald aus; beide Städte haben also in Jaromar ihren
Ahnherren.Wir kommen hiermit auf eine andere Thätigkeit dieses originellen
rügenschen Fürsten. Jaromar muß ein wahrer Umsturzmann
gewesen sein. Wo immer er Neues fand, daß er als gut erkannte, führte
er es in seinem Rügenlande mit glühendem Eifer ein, und was immer
ihm unhaltbar schien in den alten Zuständen, das schnitt er ab, ohne
langes Zaudern. So haben wir ihn verfahren sehen bei der Eroberung der
Insel und Gründung des Christentums, nach diesem Muster handelte er
auch bei der Einführung einer neuen Kultur. Mit der definitiven Unterwerfung
der Insel mußte der eine seitherige Erwerbszweig, die Seeräuberei,
gänzlich aufhören, die Rüganer mußten an energischere
Kultur des Bodens gewöhnt, neue Erwerbszweige geschaffen werden, so
vor allem der Handel. Aber den Slawen fehlte die Anleitung und vor allem
die Ausdauer. Zudem waren, besonders im festländischen Rügen,
große Strecken Landes durch die vielen Kriege entvölkert. Da
mußten neue Kräfte von außen ins Land kommen, wenn anders
das rügensche Volk an den Segnungen einer neuen Kultur, wie alle Christenvölker
sie hatten, teil haben sollte. Das Nächstliegende für Jaromar
wäre gewesen, diese neuen Kräfte aus Dänemark zu holen.
Zwar waren sie da zu haben für das internationale Mönchstum,
wie wir oben gesehen haben; der dänische Bauer und Edle aber, der
eine Heimat besaß, hatte keinen Geschmack am Kolonisieren. So mußte
Jaromar dorthin seine Blicke richten, von wo andere slawische Länder,
wie Pommern und Mecklenburg, ihre Kolonisten herbezogen, nach Deutschland.
Von hier wußte er bald den Strom der Auswanderung in sein Fürstentum
Rügen zu lenken, und so ist Jaromar es zu verdanken, das Rügen,
trotzdem es ein dänisches Leben war und Jahrhunderte lang blieb, dennoch
ein durchaus deutsches Land in Gesittung und Sprache wurde und geblieben
ist. Ganz allmählich natürlich ging dieser Umwandlungsprozess
Rügens aus einem slavischen in ein deutsches Land vor sich, aber es
ist ein Beweis von der Fähigkeit des Germanentums und seiner Überlegenheit
über das Slaventum auf Rügen, daß schon nach 2 Jahrhunderten
das letztere spurlos von der Insel verschwunden ist; Kantzow erwähnt,
daß 1404 die letzte alte Frau, die noch mit ihrem Mann wendisch gesprochen
hatte, Gulitzin geheißen, auf Jasmund gestorben sei. Auch mit der
Gründung deutscher Städte machte Jaromar auf Rügen den Anfang.
Die alten Ranen hatten seine Städte im Stile der Deutschen. Sie wohnten
in Gehöften und einzeln stehenden Häusern, Kriegsnot trieb sie
in die Burgwälle zusammen, die in Friedenszeiten außer den Tempeldienern
seine Bewohner hatten. Das wurde jetzt anders. Die ersten Deutschen siedelten
sich bei der alten Residenz der rügenschen Fürsten, bei Karenza,
an. Zwei kleine deutsche Gemeinden erblühten hier, die eine nannte
sich Rügendahl, die andere germanisierte das slavische Karenz in Garz.
Erstere wurde später mit Garz vereinigt, und die ganze Ansiedlung
erhielt um 1310 als erste rügensche Stadt städtische Verfassung
vom Fürsten Witzlaw III. Auch in der Nähe der anderen Residenz
der rügenschen Fürsten, auf dem Rugard beim Marienkloster, ließen
sich einige Deutsche schon ziemlich früh zu Jaromars Zeiten nieder.
Allein erst sehr langsam wuchs hier ein Städtchen heran, das von seiner
Lage in den Bergen den Namen Berghe oder was dasselbe auf slavisch: Göra
oder Gora führte. Widrige Schicksale hinderten zudem die Entwicklung,
1445 brannte das Kloster samt Kirche und dem größten Teile der
ganzen Ortschaft nieder. Erst 300 Jahre später als Garz erlangte Bergen
endlich 1614 vom pommerschen Herzog Philipp Julius städtische Verfassung,
aber auch so sehr ungünstiger Zeit, denn der 30 jährige Krieg
stand vor der Thür, und Bergen hatte vorerst nur Nachteile von dem
neuen Privilegium. Noch weniger vorwärts wollte es mit anderen rügenschen
Ortschaften gehen, in denen auch Deutsche in größerer Anzahl
sich ansiedelten, wie mit Gingst und Sagard; sie kamen nie über die
Bedeutung eines Marktfleckens hinaus. Um so großartigeren Erfolg
aber hatte Jaromar mit der Gründung einer anderen Stadt, die er auf
dem festländischen Teile seines Fürstentums, der Insel Strela
gegenüber, anlegte, und die vermöge ihrer günstigen Lage
bald alle Nachbarschwestern auf Rügen weit überflügeln sollte,
indem sie alle Kräfte an sich zog. Es war nach der Überlieferung
im Jahre1209, als Jaromar mit Genehmigung seines Lehnsherrn Waldemar II.
von Dänemark den Grund zu der später so stolzen und mächtigen
Hansestadt Stralsund in seinem festländischen Fürstentum Rügen
legte. Ihren Namen bekam diese Gründung von der Insel Strela, die
wir ja öfters in der Geschichte erwähnt haben, dem jetzigen Dänholm,
und von dem Sund, wie man den Meeresarm kurzweg nannte, der hier Pommern
und Rügen trennt. Danach hieß die Stadt zu Anfang und lange
nachher: die Stadt zum Strelasunde, oder blos: zum Sunde, oder auch öfter:
der Sund, später wurde dann der Name Strelasund oder Stralsund üblich.
Die slavische Bevölkerung dagegen nannte sie Stralow. Ihre ersten
Bewohner waren zumeist niedersächsische Einwanderer, Handwerker und
Kaufleute. Freilich hatte Jaromar auch hiermit zuerst Unglück. Die
Pommern, welche die Wiedereroberung dieses Landstriches immer noch erhofften,
sie aber für unmöglich hielten, wenn erst eine starke rügensche
Stadt dort erblüht sei, überfielen plötzlich die erste Anlage
1210. Jaromar hatte eine halbfertige Kirche in der Stadt stark verschanzen
lassen, dorthin flüchteten sich die Stralsunder samt ihrem Fürsten,
als es den Pommern gelungen war, die übrige Stadt zu erobern und zu
zerstören. Denn die junge Pflanzung war erst schwach befestigt und
noch nicht von schützenden Teichen umgeben. Diese sind in ihrer jetzigen
Ausdehnung erst eine spätere künstliche Anlage, indem sie bei
der Stadt in den Sund fließenden Gewässer künstlich gestaut
wurden. Das befestigte Kastell inmitten des Ortes konnten die Pommern jedoch
nicht einnehmen, alle Stürme wurden tapfer abgeschlagen. Der Fürst
hatte schon um Hilfe nach Dänemark geschickt, und so zogen denn die
Sieger aus Furcht vor den Dänen wieder ab. Waldemar II. erschien zur
Rache und besiegte die Pommern. Jaromar konnte seine neue Pflanzung wieder
aus den Trümmern entstehen sehen, und bald erblühte Stralsund
trotz mannigfacher Unfälle zu nie geahnter Größe, ein Edelstein
im Kranze der rügensch-pommerschen Städte, aber auch öfter
ein Stein des Anstoßes für Rügens Fürsten. wir haben
hiermit den ersten Fürsten Rügens durch seine Regierungszeit
hindurch geleitet. Er starb wahrscheinlich 1218. Wenn ein Regent, der durchgreifende
Neuerungen zum Wohle seines Landes mit Entschiedenheit und Erfolg ein-und
durchführt, den Namen des Großen verdient, so dürfen wir
J a r o m a r I. d e n G r o ß e n nennen.
Mit ihm beginnt eine neue Epoche für Rügen; sein klarer Geist
war es, der die neuen Verhältnisse, die über Rügen kommen
mußten, zum Segen der Insel zu gestalten wußte. Mit Feuereifer
ergriff er die neuen Ideen. Er, der in seiner Jugend noch dem Swantewit
Opfer dargebracht hatte, verstand später, wie wir besonders aus dem
Stiftungsbrief sehen, im Geiste des mittelalterlichen Christentums zu denken
und zu handeln, als habe er nie etwas anderes gekannt. Die Kulturaufgaben
für sein Land erkannte er klar, und mit Entschiedenheit und allen
Mitteln sorgte er dafür, daß deutsche Bodenkultur und Industrie
auf Rügen heimisch wurden. Hat man Recht, ihn deshalb zu verdammen
und zu behaupten, er sei herzlos gegen seinen Volksstamm gewesen? Nein!
Wenn das rügensche Slaventum dabei zugrunde ging, so war das nicht
sein Verschulden, sondern eine nationale Inseriorität; er wollte nur
das Beste. In politischer Beziehung müssen wir ebenfalls seinen durchdringenden
Blick bewundern; nichts brachte ihn von dem als richtig erkannten Wege
ab. Und das war ein Glück für ihn und sein Land. Hätte er
den Dänen die Treue gebrochen, so wäre von jener Seite ein harter
Druck auf Rügen nicht ausgeblieben. So blieb er fast sein eigener
Herr, ordnete im Lande an, wie ihm beliebte, gründete Städte
nach seinem Gutdünken und hatte Feinden gegenüber immer den unendlichen
Vorteil, an Dänemark einen sicheren Rückhalt zu besitzen. Dafür
war die Gefolgschaft kein zu schwerer Gegendienst, zumal er auch daraus
noch Vorteil zog. Alles in allem: an der Schwelle der neuen Geschichte
Rügens empfängt uns ein großer Mann, der, ein tüchtiger
Steuermann, geschickt und sicher das Staatsschiff Rügens aus den Klippen
der heidnischen Zeiten in den Hafen der abendländischen Kultur hineinzubringen
weiß. Die Wege, die Jaromar vorgezeichnet hatte, wandeln seine Nachfolger.
Wir sehen seinen Sohn Witzlaw I. (1218-1249) deutschen Handel und Gewerbefleiß
eifrig fördern. Seiner Stadt Stralow bezeugte er dieselbe Geneigtheit,
wie sein Vater. Er verlieh ihr 1234 das Lübische Recht. Dadurch gewann
Stralsund die Grundlage, aus der sich die freie Entwicklung deutschen Bürgertums
aufbauen konnte, denn Selbständigkeit der Verwaltung und der Rechtspflege
war die Folge dieses Privilegiums. Dann erweiterte er das Stadtgebiet und
die Fischereigerechtigkeit, die er den Stralsundern von Hiddensöe
und Ummanz bis nach Devin hin frei zugestand, und räumte ihnen noch
andere Vergünstigungen ein, wie Zollfreiheit im Gebiet seines Fürstentums
und die freie Benutzung fürstlicher Wälder zum Holzschlagen.
Alles das bewilligte er, weil er den Nutzen für sein Land zu schätzen
wußte, den der Handel einer ungehindert sich entwickelnden Stadt
ihm brachte. In gleicher Erkenntnis gestand er auch den Lübeckern
Vorteile zu, um auch ihren Handel nach Rügen zu locken. Er garantiert
ihnen für Sicherheit, hob den Brauch des Strandrechts auf Rügen
für sie auf, erlaubte ihnen, Holz nach Bedarf in seinen fürstlichen
Waldungen zu fällen und setzte Zölle und Abgaben für sie
fest um sie vor Willkürlichkeiten zu schützen. Aber duch diese
gutgemeinten Vergünstigungen gab er die Veranlassung zu einem großen
Unglück für seine eigne Stadt Stralsund. Die Stralsunder sahen
nämlich mit neidischen Blicken dem Aufschwung des Lübecker Handels
zu und fürchteten die Schädigung des eignen. Eifersüchteleien,
Zank und Streit zwischen beiden Städten war die Folge, und das spitzte
sich schließlich derart zu, daß die Lübecker beschlossen,
der jungen Rivalin am Sunde den Garaus zu machen. Im Jahre1249 überfielen
sie das nichts ahnende Stralsund, plünderten und zerstörten die
Stadt, soweit es in der Eile ging, und führten die reichsten Bürger
gefangen nach Lübeck fort. Zwar erholte sich Stralsund mit des rügenschen
Fürsten Hilfe wieder von dem Schlage, aber vier Jahre lange Kämpfe
waren die Folge. Witzlaw und sein Nachfolger Jaromar II. haben alle Privilegien
der Lübecker auf Rügen auf, ließen ihre Schiffe kapern,
wo es anging, aber auch Stralsunds Handel litt. Bis dann endlich die Lübecker
ein Schmerzensgeld zahlten, und die Sache beigelegt wurde, nachdem beide
Parteien durch Schaden klug genug geworden waren. Witzlaws I. Verhältnis
zu Dänemark zwang ihm aber auch das Schwert in die Hand, und er sollte
den Ruhm rügenscher Tapferkeit in den fernsten Osten des baltischen
Meeres bringen. Als Waldemar II. nämlich 1219 einen Kreuzzug gegen
Esthland unternahm, begleitete Witzlaw I. ihn mit einem rügenschen
Heere. Die Esthen unterwarfen sich anscheinend. Am dritten Tage aber nach
dem Friedensschluß überfielen sie plötzlich die nichts
Böses ahnenden Dänen bei Reval und jagten das ganze Kreuzheer
in wilde Flucht. Witzlaw lag mit seinen Rüganern auf einem Hügel,
von wo aus er die Situation übersehen konnte. Sogleich eilte er dem
Dänenkönig zu Hilfe und nahm den Kampf mit den Esthen auf. Da
konnte das fliehende Heer sich sammeln, wandte sich und warf nun mit den
Rüganern zusammen den Feind zurück. So wurden die Rüganer
die Retter der Dänen. Gleichen Kriegsrum erwarb sich Witzlaws Sohn
und Nachfolger J a r o m a r II. (1249-1260), indem er in die inneren
dänischen Wirren hineingezogen wurde. König Christoph I. von
Dänemark nämlich kam in Streit mit seinem Erzbischof von
Lund, der die Bischöfe von Roeskilde und Schleswig weihte, ohne dem
König die schuldige Anzeige zu machen. Der Konflikt steigerte sich
derartig, daß Christoph den Oberhirten gefangen nehmen ließ.
Der Bischof von Roeskilde, Peter Bang, der auch an die Reihe sollte, entfloh
nach Rügen, das ja zu seiner Diözese gehörte. Hier wohnte
er in Schaprode, von hier aus verfügte er das Interdikt gegen Dänemark.
Der Papst war natürlich auf der Seite seiner Leute. In der Bannbulle,
die er gegen den König schleuderte, fordert er "den geliebten
Sohn, den edlen Fürsten der Rüganer" auf, sich der Geistlichen
anzunehmen. Jaromar II übernahn die Vollstreckung der Acht. Er war
mit Peter verwandt, und dann mochte er hoffen, auf diese Weise der Vasallenschaft
ledig zu werden. Er landete auf Seeland mit dem Bischof. Und als die Königin-Witwe
nun an Stelle ihres meuchlings ermordeten Gemahls die treuen Bauern Seelands
zum Kampfe heranführte, schlug Jaromar dies her nach furchtbar blutigem
Kampfe in die Flucht. Plünderung, Mord und Brand verbreitete der Sieger
darauf über das unglückliche Land, nahm Kopenhagen, setzte Peter
wieder ins Bistum ein und segelte dann nach Bornholm, welche Insel Christoph
dem Erzbischof entrissen hatte, um auch dies zurückzuerobern. Hier
aber fand Jaromar durch den Dolch eines Weibes seinen Tod. Sein wildes
Kaufen in Dänemark aber blieb noch lange Zeit in schmerzlicher Erinnerung.
Und wenn später einmal auf Rügen dänischen Bettlern oder
Pilgern ein Almosen gereicht wurde mit dem Bemerken: um der Seligkeit des
Fürsten Jaromar willen, so soll keiner die Gabe genommen haben. Auch
sonst noch hat dieser Jaromar II. seine Vorliebe für die Kahlköpfe
bethätigt. Die Bettelmönche, Dominikaner und Franziskaner, kamen
zu seiner Zeit ins rügensche Fürstentum. Er baute in Stralsund
den Dominikanern, die "die man schwarze münniche daselbst
genennet", ein Kloster, das jetzige Gymnasium und Waisenhaus, und ebenso
den Franziskanern, "welche sie grawe (graue) münniche nenneten",
einen Teil des jetzigen St. Johannisklosters. Auch in seiner Stadt Barth
wollte er diese "heiligen lewte" ansiedeln. Aber die Barther
waren nicht so lammfromm wie die Sundischen und widersetzten sich den Segnungen
dieser "betlermünniche" sehr energisch und zwar aus den
ökonomischen Gründen: "Daß sie wohl wüßten,
wo die münniche recht einnistelten, daß sie doselbst pflegten
gemeiniglich alle gütter und einkhomen der Stat bey sich zu bringen."
Die Barther müssen also mit den "münnichen" schon
sehr trübe Erfahrungen gemacht haben. Jaromar ward ob solchen Mangels
an Frömmigkeit und wegen des renitenten Wesens "scheldig"
und wollte der guten Stadt den Segen mit Gewalt aufdringen. Aber die Stadt
"beriss
sich vor die lantschafft zur erkenntnüß", und da "brachten
die von Bart jr antwort widder für, und nachdem lantschafft des Fürsten
fürhaben für christlich ansahen, und doch der von Bart gegenrede
auch nicht unbilligen khonten, wollten sie sich zu keinen richtern machen,
wie es auch ohne das jnen nicht gebürete." Der Landtag wagte also
trotz besserer "Erkenntnüß" den Fürsten nicht
auch noch auf sich "scheldig" zu machen; aber die Barther, die
ihre Existenz gefährdet wähnten, hatten Mut und setzten ihren
Kopf durch, sodaß schließlich "der Fürst von
dem Kloster bawen abstundt." Jaromas Sohn und Nachfolger Witzlaw II. (1260
bis 1303) artete durchaus den Traditionen seines Hauses nach. Waffenruhm
erwarb er sich in Livland, wo er dem deutschen Orden half. Seine Fürsorge
für das Gedeihen seiner Städte, angeregt durch die viele Ebbe
in seinen Kassen, war großartig. Stralsund verdankt ihm unendlich
viel, ihm gab er unter anderm 1290 das Privilegium, daß seine Bürger
ihm und deinen Erben nie und nirgends Kriegsdienste außerhalb ihrer
Mauern leisten brauchten, ferner das wichtige Recht de non evocando, wodurch
die Stralsunder ihre vollständige eigne Gerichtsbarkeit erlangten.
Die Stadtgrenzen und die Fischerei erweiterte er ansehnlich. Freilich,
all das geschah wohl gegen klingende Münze als Gegenleistung, aber
der Stadt kam es doch zugute. In geistlicher Beziehung war er geradezu
verschwenderisch. Sie ganze Insel Hiddensöe schenkte er dem Zisterzienserkloster
Neu-Kamp bei Barth (das Witzlaw I. gegründet), und half dem Abt das
Kloster dort erbauen (1297) von dem jetzt ja noch einige Überreste
stehen und das Gut im Norden stand dichtes, hohes Dorngestrüpp, wonach
die Schiffer in jener Zeit die ganze Insel "Dornbusch" nannten.
Auch dieser Name hat sich ja für einen Punkt im Norden erhalten, wenngleich
Eichenwälder und Dornbüsche verschwunden sind. Dafür sorgten
zum Teil die Zisterziensermönche des Klosters, die das Land urbar
machten, doch blieb noch Wald genug bestehen, denn in einer Urkunde aus
1297 wird einem Andreas Erlandson zu Schaprode sein Privilegium vom Kloster
bestätigt, daß er nach Bedarf auf Hiddensöe Holz fällen
und seine Schweine in die Eichenwälder zur Mast treiben dürfe.
Erst der 30 jährige Krieg hat hier gründlich aufgeräumt.
Der südliche Teil der Insel hieß im 13. Jahrhundert Iellant
oder Gellen, ein sklavisches Wort, das der Hirsch bedeutet; auch das ist
ein Beweis für das Vorhandensein von Wald. In diesem Walde stand schon
in Zeiten vor dem Klosterbau eine Kapelle des heiligen Nikolaus, des Schutzpatrons
der Fischer und Schiffer. Sie wurde von Einsiedlern bedient, die den Schiffbrüchigen
hilfreich beisprangen, denn Schiffsunfälle waren hier bei der Enge
und Flachheit des Wassers nicht selten. Und als die Kapelle einging, erbauten
die Stralsunder an ihrer Stelle einen Leuchtthurm, worauf von September
bis Mai nachts Feuer brannten. Die Mönche von Hiddensöe übernahmen
die Verpflichtungen, dies Leuchtfeuer zu unterhalten. Jede Spur dieses
ersten Leuchtturms auf dem Gellen Hiddensöes ist mit den Eichenwäldern
verschwunden, der Name des Gellen aber wurde auf das dortige Gewässer
übertragen und ist noch heute in Gebrauch für die Meerenge von
Hiddensoe an bis in den Greifswalder Bodden. Auch ein Bischof ist aus dem
rügenschen Fürstenstamm hervorgegangen. Witzlaws II. Bruder Jaromar
war Bischof von Kammin in Pommren (gest.1299). Er war ein sehr beliebter
Seelsorger und von seiner originellen Art, mit den Leuten umzugehen, hat
Kantzow ein Beispiel aufbewahrt. Er wurde einmal zu der Gräfin von
Gützkow, Zorislaffa, geborene von Putbus, gerufen, "seiner
Muhme, die da krank lag und jr deuchte, wie der teuffel vor jr stünde,
und sie wollte wegkholen; so gebrauchte Jaromar die fabel von der mutter,
die das kind dem wulffe wollte geben, das der wulff hörete und meinte
wahr, und wartete darauff, aber kriegte nichts davon; und sagte, also möchte
unser her got sich auch wohl stellen, als wollte er sie dem teuffel übergeben
und der teuffel mochte wohl darauf harren, aber jme würde nichts werden,
sie were gottes kint; und hat sie so aus dem wahne gebracht." Witzlaw III.
(1303-1325), des vorigen Witzlaw Sohnes Regierungsanfang wurde von einem
außerordentlichen Naturereignis begleitet. Im Jahre 1304 wütete
an Rügens und Pommerns Küsten ein gewaltiger Orkan aus Nordost.
Er warf viele Kirchtürme und Häuser nieder. Damals noch erstreckte
sich Mönchgut nach Süden bis fast an den Ruden; zwischen beiden
ging ein so schmaler Strom hindurch, daß "ein Mann hinüberspringen
konnte." Hier bahnte der furchtbare Nordoststrom dem Meere eine neue Straße,
indem von Mönchgut der ganze Streifen bis zum Vorgebirge Thiessow
fortgegriffen wurde. Die neu entstandene Fahrstraße nannte man das
"neue
Tief." Sie kam den Stralsundern recht zustatten, denn bis dahin hatten
größere Schiffe nur von Norden her in ihren Hafen kommen können,
jetzt war auch nach Südosten hin eine Durchfahrt geschaffen. Noch
ein Naturereignis erzählen die Chroniken aus Witzlaws III. Zeit. Fast
20 Jahre später, als das eben erwähnte stattfand, 1323, herrschte
an der Ostsee ein so starker Winter, daß die See zwischen Dänemark
und Rügen mit starkem Eise belegt war. Die Leute gingen die Strecke
von 8 Meilen von Rügen nach Dänemark hinüber und umgekehrt,
Hütten waren auf dem Eise errichtet, in denen man Lebensmittel und
Getränke kaufen konnte. Zehn Wochen hat diese Passage benutzt werden
können. Gleichsam angekündigt durch den Sturm im Anfang seiner
Regierung wurde der gewaltige Krieg, in den Witzlaw III. mit der Stadt
Stralsund verwickelt wurde. Der Fürst stand schon längere Zeit
hindurch mit Stralsund wegen der Privilegien der Stadt in gespanntem Verhältnis,
oft nannte er es "eine böse wehne in seinem lande". Er,
als einziger aller rügenschen Fürsten, verließ im Anfange
seiner Regierung die kluge Politik seiner Vorgänger, die sie in bezug
auf diese blühende Stadt befolgt hatten. Er wollte das dem väterlichen
Machtspruch fast ganz entwachsene Kind wieder in seine Gewalt zwingen,
aber an dem trotzigen und entschlossenen Freiheitssinn und Mut der erstarkten
Bürger scheiterten die reaktionären Gelüste des Fürsten.
Empört über den Starrsinn, mit dem man in Stralsund an verbürgten
guten Rechten festhielt, wandte Witzlaw III. sich an seinen Lehnsherrn
König Erich Menved von Dänemark. Der war sein Mann. Hatte doch
dieser König keine geringere Absicht als die, die ganze deutsche Ostseeküste
seinem Reiche einzuverleiben, und war doch der deutsche Kaiser Albrecht
I. , Rudolfs von Habsburg Sohn, pflichtvergessen genug, ihm dieses zuzugestehen.
Stralsund und Rügen sollten es sein, die diese Länder im Norden
für Deutschland retteten. Als Haupthindernis seiner Danisierungspläne
erkannte König Erich die mächtigen deutschen Städte hier
im Norden. Lübeck, Wismar, Rostock,Stralsund und Greifswald hatten
sich seit 1293 zu einem Schutz-und Trutzbündnis zusammengethan und
bildeten so eine starke Phalanz.Aber es gelang Erich, Lübeck auf diplomatischem
Wege an sich zu fesseln, Wismar und Rostock zwang er mit Waffengewalt unter
seine Krone. Greifswald mit seinem Herzog von Pommern zog sich scheu vom
Kampfe zurück, so blieb Stralsund allein übrig, und leichten
Kaufes glaubte man auch damit fertig zu werden und den Trotz der freien
deutschen Bürger zu brechen. Denn eine große Koalition hatte
König Erich, wie vorher gegen Rostock und Wismar, so auch gegen Stralsund
zustande gebracht. Fast alle norddeutschen Fürsten beteiligten sich
daran, Herzog Erich von Sachsen, Fürst Heinrich von Mecklenburg, Graf
Gerhard von Holstein und Fürst Witzlaw III. von Rügen. Nur ein
Fürst machte eine rühmliche Ausnahme, es war der Markgraf Waldemar
von Brandenburg.Er, einst auch ein Freund des Dänenkönigs, hatte
bald dessen verderbliche Pläne durchschaut und zog das Schwert jetzt
für die deutsche Sache. Sie stellten sich, kühn entschlossen,
unter seinen Schutz, da sie dänisch nicht werden wollten. Freilich,
auch so war das Machtverhältnis der kriegführenden Parteien noch
ein sehr ungleiches, da kam den Stralsundern noch ein unerwarteter Bundesgenosse.
Fürst Witzllaw III. hatte nämlich 1310 mit König Erich zu
Ribnitz einen Vertrag geschlossen, daß, falls sein Haus ausstürbe,
das Fürstentum Rügen dem König von Dänemark erblich
zufallen solle. Dadurch wäre Rügen dänisches Kronland und
dem dänischen Reiche einverleibt worden. Mit Rügen wäre
natürlich auch Stralsund und der festländische Teil des Fürstentums
es geworden. Das aber konnte der rügensche Adel sowie die ganze Bevölkerung
der Insel nicht zulassnen. Alle Interessen der Insel, Kultur und Sprache,
waren deutsche, und der Adel selbst, deutschen Ursprungs, mußte einer
Danisierung widerstreben. Zudem standen in jenem Falle auch seine Rechte
auf dem Spiele. So trieb denn nicht blos die Sorge um seine Privilegien,
sondern vor allem die Gefahr des Verlustes seiner deutschen Nationalität
den rügenschen Adel zu einem Bündnis mit Stralsund und Brandenburg
gegen den eigenen Landesherrn. Am 6. Januar 1316 schlossen Ritterschaft
und alle Einwohner "des umflossenen Landes" Rügen mit Rat und Bürgerschaft
Stralsunds einen Vertrag, des Inhalts: ewiglich bei einander zu stehen
in allen Nöten und das alte Recht aufrecht zu erhalten, wie es von
Alters her in der Stadt und im Lande Rügen gewesen sei. Unter der
rügenschen Ritterschaft, die sich so zur Rettung der deutschen Nationalität
und ihrer alten Rechte verpflichtete, befanden sich viele noch jetzt blühende
Geschlechter: die Putbus, von Bohlen, von Platen, von Lancken, vonKrassow
u.a. So waren denn die Würfel gefallen, und das Schwert mußte
entscheiden. Aber der Markgraf Waldemar konnte nur geringe Hülfe schicken,
da er gegen Heinrich von Mecklenburg genug selbst zu thun hatte. Auch der
nächste Nachbar, der Herzog von Pommern, leistete seinen thätigen
Beistand, wenngleich er sich nicht zu den Feinden schlug. Stralsund und
die Rüganer waren auf ihre eigne Kraft angewiesen, und das Vertrauen
auf die gute Sache gab unverzagten Mut. Im Juni desselben Jahres,
wo Rügen und Stralsund die Allianz geschlossen hatten, rückten
die Feinde vor den Sund. Herzog Erich von Schsen und viele Ritter und Herren
befehligten das Heer, auch Fürst Witzlaw stellte sich jetzt ein. Im
Hainholz vor Stralsund schlug man das Lager auf und verabsäumte in
gründlicher Verachtung der Städter alle Vorsichtsmaßregeln.
Noch war der Däne mit der Flotte und seinem Heere nicht da. Das gab
den Bürgern und rügenschen Rittern den Gedanken ein, die Gegner
einzeln zu schlagen, denen vereint sie sich kaum gewachsen fühlen
mochten. Im Morgengrauen des St. Albanstages, des 21. Juni, machten sie
rasch entschlossen einen Ausfall. Die Hutmacher hatten die Hufe der Pferde
mit Filz umwickelt, daß alles Geräusch bei der nächtlichen
Visite vermieden würde. Und glänzend gelang der kühne Streich.
Die Herren im feindlichen Lager waren des Frühaufstehens, wie es scheint,
ungewohnt, gründlich rieben ihnen die Stralsunder und Rüganer
den Schlaf aus den Augen. Ungeheure Verwirrung giff im Lager um sich, was
nicht niedergemacht wurde oder schleunigst davonlaufen konnte, wurde gefangen
genommen. Herzog Erich geriet, tapfer kämpfend, in Gefangenschaft
und viele adlige Herrin mit ihm. Witzlaw entkam auf einem Schiff, wahrscheinlich
gab man dem eigenen Landesherren gern die Gelegenheit dazu. Gegen schweres
Lösegeld kauften die Gefangenen sich später frei, und von diesen
Summen erbauten die Stralsunder als stolzes Siegeszeichen die Front ihres
Rathauses und den Artus = hof. Letzterer ward aber 1680 durch Feuer gänzlich
zerstört, an seiner Stelle steht jetzt das Gebäude der Hauptwache.
Durch diesen Sieg wurden die anderen Fürsten entmutigt. Zwar erschienen
die Dänen mit der Flotte vor Stralsund, aber nach großen Verlusten
mußte König Erich im Herbste den Kampf abbrechen. Die Sundischen
setzten nach Rügen über, belagerten Witzlaw in seinem Schloß
Rugard und verbrannten und zerstörten es später. Da kam denn
endlich infolge allgemeiner Erschöpfung zu Sülz in Mecklenburg
1317 der Friede zustande. Fürst Witzlaw begab sich sogleich
nach Stralsund, um mit der Stadt alles ins reine zu bringen. Das Jahr 1316
hatte ihn von der Verkehrtheit seiner Politik vollständig überzeugt,
fortan folgt er den Bahnen seiner Vorfahren. Ein Verhältnis wird begründet,
wie man es nach allem Vorangegangenen nicht hätte erwarten sollen.
Alle alten Privilegien bestätigt er der Stadt, neue, glänzende
fügt er hinzu, so vor allem das wichtige Münzrecht. Natürlich
geschah all dies gegen klingende Münze von Seiten der Bürgschaft,
denn die fürstlichen Kassen waren durch den Krieg total erschöpft.
Auch mit seinem rügenschen Adel söhnte der Fürst sich aus.
Er nahm auch hier den Grund zur Beunruhigung hinweg. Den Mißgriff,
den er in seinem Eifer gegen Stralsund gethan hatte, in dem er sein Land
Rügen der Krone Dänemarks erblich verhieß, sah er jetzt
ein. König Erich starb 1319, und die nun folgenden Wirren in Dänemark
unter Erichs Bruder Christoph erleichterten es ihm, den verhängnisvollen
Schritt rückgängig machen machen zu können. so suchte er
das Fürstentum Rügen demjenigen Lande zu sichern, mit dem es
alle Beziehungen, die geographische Lage sowie kommerzielle und politische
Interessen, Geschichte und Sprache verbanden, nämlich Pommern. Im
Jahre 1321 schloß er mit demHerzog von Pommern Wartislaw IV., mit
welchem ihn auch verwandschaftliche >Bande verknüpften (Wartislaw
war seiner Schwester Sohn), einen Erbvertrag, kraft dessen Rügen an
Pommern oder Pommern an Rügen fallen solle beim Aussterben je eines
der beiden Regentenhäuser. Wartislaw hatte schon vorher von dem jetzigen
König Chrisrtoph die Zusage erhalten, daß ihm das dänische
Lehen Rügen beim eventuellen Aussterben des rügenschen Fürstenstammes
übertragen werden solle. Die verwandte Seitenlinie des rügenschen
Fürstenhauses, die Putbus`sche, wurde für die Nachfolge nicht
in Betracht gezogen und erhob auch keine Ansprüche darauf. So
hatte Witzlaw denn alles zur Zufriedenheit seiner Bürger und Edelleute
angeordnet und die Mißgriffe seiner früheren Politik, die Rügen
wie Stralsund so sehr viel Schaden gebracht hatten, nach Möglichkeit
wieder gut gemacht. Es ist merkwürdig, daß er, der letzte der
rügenschen Fürsten , eine von der seiner Vorfahren so ganz abweichende
Politik gegen seine Städte und seinen Adel befolgte. Unwillkürlich
fragt man sich, wie Witzlaw dazu gekommen ist. Wir haben zwar keine direkten
Nachrichten darüber, aber vermutlich hat der junge Fürst mehrere
Jahre an den Höfen mitteldeutscher Fürsten zugebracht und hier
ein ganz anderes Verhältnis vonFürst zu Adel und Bürgern
kennen gelernt, als es im rügenschen Lande üblich war. Das regte
den feurigen Geist Witzlaws zur Nacheiferung und führte ihn auf die
schiefe Ebene des Konflikts. Denn hier im Norden mußten die Landesherrn,
weniger mächtig als die anderen deutschen, sich noch anders zu ihren
mächtigen Städten stellen als anderswo. Dafür waren hier
die Zeiten noch nicht reif. Witzlaw war einsichtsvoll genug, solche Projekte
fallen zu lassen, nachdem die Ereignisse ihn von ihrer Undurchführbarkeit
überzeugt hatten. Dieser Witzlaw III. ist aber auch in anderer
Beziehung ein außerordentlich interessanter Mann. Ihm nämlich
gab "der Lieder süßen Mund Apoll". Weit über Rügens
Grenzen hinaus wurde er als Dichter und Minnesänger von seinen Zeitgenossen
gefeiert. Mit Stolz kann nochheute jeden Rüganer das Lob erfüllen,
das die berühmten Minnesänger Heinrich von Meißen, genannt
Frauenlob, und Goldener dem rügenschen Sängerfürsten spendeten.
So lautet Frauenlobs Spruch) auf Witzlaw III.: Wohlauf, mein Herz, bereite
dich, ein Lob zu finden, hold mag sie klingen, die künstlerische Spende!
- Unwürd`ges schau`n, färbt ihm die Stirn mit edler Glut. Der
Engel Mut hat er zu guten Werken. Die Tugend wird ihn stärken. Nie
wird der Menschen Blick Unedles an ihm merken. Darum sein Lob sich überall
verbreite. - Zu seinem Preis ich mich ermannt, Daß ich der Menge
machs bekannt. Er sei gepriesen! Es sei gesandt Sein Lob in aller Herren
Land: Held Witzlaw dem Jungen von Rügen ertön`s aus Herzens Grunde.
Zu den schönsten Perlen deutscher Dichtung aus dem Mittelalter gehört
das Loblied Goldeners auf Witzlaw: Im Ehrengarten ward ein Kranz
Gewunden Fein und hell vor Glanz, Daß er die Thaten hoher Fürsten
lohne. - Wer treu und weise, mutentflammt, Ehrwürdigem Geschlecht
entstammt, Empfang`den Preis, ihn schmückt diese Krone! Da fragt`ich
Ritter und Frauen: "Wer soll ihn tragen? Wer ist`s, dem euer Spruch ihn
zuerkannte? " Sie sprachen: "Das liegt wohl am Tag: " Den Kranz in Ehren
tragen mag " Witzlaw, der junge Held im Rügenlande! " Wir können
aus den Worten " junger Held " und den beiden Gedichten schließen,
daß Witzlaw als Jüngling an deutschen Fürstenhöfen
- wie schon oben erwähnt - sich aufhielt, dort sich bildete, Minnelieder
dichtete und die Bekanntschaft der zeitgenössischen Dichter
machte, die ihn so hoch schätzen lernten. Von des fürstlichen
Dichters Liedern sind uns einige aufbewahrt, leider nicht in der reinen
Ursprache, sondern in einer korrumpierten Abschrift. Um einen Einblick
in die Begabung, die Schönheit und den Reichtum der Gedanken dieses
auf Rügen einzigen Dichterfürsten zu gewinnen, bringen wir einzelne
Proben seiner Lieder. Wie schön versteht er der Liebe Empfinden in
Worte zu kleiden: Hoch preis ich dich in meiner Treue, Die ich dich
lieblich sah vor meinen Blicken, Sei mein, Geliebte, mich allein erfreue
Mit allen Reizen, die dein Wesen schmücken! Oder: Seh
ich ihr Bild in holden Zügen Im Geist vorüberfliegen, Es
trifft mich ins Herz mit Macht. Sie glänzed so klar wie die Sonne,
Giebt`s höhere Wonne? Eine rührende Abschiedsszene schildern
folgende Worte aus einem größeren Liede, in welchem der Wächter
zum Abschied bläst: Der Ritter hört`s voll Sorgen, Sprach
zur Geliebten sein: Auf`s neue komm ich morgen, Dann bist du wieder mein.
Sie schlang um ihn den weßen Arm, Und küßt ihn auf den
Mund so warm: Ach Ritter, in Liebe dich mein erbarm. Auch von der
Maienzeit ist der junge Dichter entzückt, sie preist er oft;
immer aber vergleicht er das Entzücken der Liebe mit ihr: Wenn
der Mai sich erschließet, Uns Vogelsang grüßt, Das Leben
versüßt, Kein Kummer verdrießet, Lobt jeder den Mai. Doch
wenn holde Frauen Uns liebevoll anschaun, Dann ade, Mai! Denn traun, Sie
können erbauen Uns schöner als Mai. Nun haben wir beide, Frauen
und Maien, Nun möget ihr euch des Lebens freuen, Nun tanzet und springet,
und ohne Harm Ruhe die Braut in des liebsten Arm. Wehrt nicht des Herzens
fröhlichem Drang, Folget des Maien wonnigem Klang, Bald ja ist Blüte
verwelket. Im Winter Trotz an den Rosen, die auf der holden Lippen
blühn: Von den Bäumen zuthal die Blätter nun wehn,
Öd` ist`s in den Zweigen, die Blumen vergehn. Es starren die Bäume
von Reif und Schnee, Wo finde ich trotz für des Herzens Weh? Laßt
tausend Freuden uns grüßen zur Stund, Es blühen ja Rosen
auf Frauen Mund, Die laßt uns besingen, die sind unser Trost, Unsre
Wonne, wenn draußen dr Winter toßt. Außer Liebes-und
Maienliedern hat Witzlaw auch geistliche Lieder gedichtet, ferner Lobgedichte,
Rätsel, Sittensprüche. Von letzteren führen wir eine Probe
vor, eine Warnung vor dem Glauben an eine unabänderliche Vorbestimmung:
"Nicht anders ist es mir bestimmt", "Es fügt sich so", wer das annimmt,
Der kommt im Leben leich dazu, Daß er sich selbst betrüge. "Bestimmung"
und "das ist mein Loos" , Wer`s sagt, der ist an Thorheit groß, Sich
selbst betrügt er und die Welt, Dies Wort ist eine Lüge. Trifft
ihn ein Leid, ist er gefeit Mit seinem: " So mußt`s kommen". Nein,
höret mich, das sollt nicht sein. Nie hab ich das vernommen In Predigt
und in Bücher Lehr, Wo nehmens nur die Thoren her? Womit beweisen
sie den Trug? Ihr Spruch sie selbst belüget. Anklänge an seine
rügensche Heimat, Schilderungen ihrer speziellen Naturschönheiten
usw. aber finden sich in Witzlaws Gedichten nirgends, ihr Inhalt ist überall
ganz allgemein gehalten. Mit Witzlaw III. erlischt der Stamm der
eingeborenen rügenschen Fürsten. Sein einziger Bruder Sambor
starb gleich nach Regiergungsantritt und seinen einzigen Sohn Jaromar sah
Witzlaw kurz vor seinem eigenen Tode im blühenden Jünglingsalter
ins Grab sinken. So trat denn der Fall ein, den der Erbvertrag glücklicherweise
vorgesehen hatte, und das Fürstentum Rügen fiel an den Herzog
Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast. Betrachten wir zum Schluß
dieses Abschnittes noch einmal im Überblick die Leistungen der fünf
rügenschen Fürsten, so müssen wir anerkennen, daß
dies eingeborene Geschlecht ein durchaus thatkräftiges und zielbewußtes
gewesen ist. Ein feuriger, klarer Kopf führte das Inselreich gewandt
und sicher in die neue Zeit ein, Sohn und Enkel wandeln die von den Zeitverhältnissen
vorgschriebenen und vom Ahn zuerst betretenen Wege zum Vorteil der Insel
weiter als tüchtige Staatsmänner. Tapfere, entschlossene Krieger,
verleugnen sie den alten Kampfesmut des ranischen Blutes nicht und
erwerben sich die Lorbeeren des Sieges. Die neue Tugend der Frömmigkeit,
diesie alle eignet, zeigt die große Elastizität ihres Geistes.
Anlage und hohe Begabung, die keinem von ihnen fehlt windet dem letzten
Sprößling des edlen Hauses die Dichterkrone ums Haupt. Wahrlich,
es sind tüchtige Männer, diese fünf rügenschen Fürsten,
die über anderthalb Jahrhunderte (1168-1325) das Schicksal der Insel
leiteten. Verglichen mit vorher und nachher genoß Rügen unter
dem Schirme seines einheimischen Fürstenhauses des Goldenen Zeitalters.
Das Jahr 1325 ist für unsere Insel ein höchst wichtiges.Anderthalb
Jahrhunderte waren vergangen, seit Rügen in den Kreis der abendländischen
Kultur aufgenommen war; seit fast ebenso langer Zeit sproßte die
Saat deutschen Fleißes, deutschen Handels, deutscher Gesittung in
rügenschen Landen. Und war auch das Oberlehnshaupt Rügens dänisch,
so geschah doch von jener Seite kein Schritt, der störend eingegriffen
hätte in die Entwicklung der rügenschen Verhältnisse nach
dieser Richtung hin. Kurz vor 1325 war ja allerdings eine drohende Gewitterwolke
aufgezogen über die deutsche Kultur auf Rügen, als Fürst
Witzlaw sein Land der dänischen Krone eblich verhieß. Aber das
Deutschtum war in unseren Gebieten bereits so erstarkt, daß es dieser
Gefahr nicht blos trotzen, sondern sie erfolgreich abwenden konnte, wie
wir in dem glorreichen Kampfe von 1316 gesehen haben.- Im Jahre 1325 nun
wurde der Schlußstein dieses deutschen Baues gelegt, indem das rügensche
Fürstentum dem bereits vollständig germanisierten pommerschen
Herzogtume zugewiesen wurde. Damit war für Rügen die Gefahr einer
Danisierung für immer vorbei, es war für Deutschland definitiv
gerettet. Und sollten im Laufe der Jahrhunderte auch noch manche Stürme
über die Insel brausen, die sie für immer wieder vom deutschen
Reiche loszureißen schienen, die starken Wurzeln ihrer deutschen
Kraft lagen zu fest begründet, als daß sie ganz wieder gelockert
werden können. Aber das Jahr 1325 hat wie in kultureller, so
noch in politischer Beziehung eine ganz besondere Bedeutung für Rügen.
War Rügen vor anderthalb hundert Jahren zwar von der Höhe der
Selbstständigkeit, der Souveränität herabgestürzt,
so blieb es doch immerhin noch ein Fürstentum für sich, fungierte
also doch immer noch in der Reihe der bestehenden Staaten, indem es im
Herzogtum Pommern aufgeht. Fortan ist sein Geschick das Pommerns und die
aktive Rolle, die Rügen seither in der Geschichte gespielt hat, ist
fernerhin zu einer hauptsächlich passiven geworden. Zunächst
blieb Rügen noch ein dänisches Lehnsland, als solches erhielt
es Wartislaw IV. , Herzog von Pommern - Wolgast von Dänemark. Er empfing
als erster pommerscher Herzog in Stralsund am 4. und 5. DEzember 1325 die
Huldigung der rügenschen Städte, vor allem Stralsunds, des rügenschen
Adels und der sonstigen Einwohner, bestätigte alle vorhandenen Privilegien
und fügte als neues für Rügen hinzu, daß der herzogliche
Vogt und sonstige Beamte auf der Insel nur aus dem eingeborenen rügenschen
Adel genommen werden dürften. Bald hatten die rügenschen
Vasallen Gelegenheit, ihre Treue gegen ihr neues Herzoghaus zu bethätigen.
Wartislaw starb 1326 , er hinterließ nur unmündige Kinder, und
nun streckte der Herzog Heinrich von Mecklenburg seine Hände nach
dem schönen Erbe aus. Ihn hatte der wankelmütige König Christoph,
derselbe, von dem Wartislaw Rügen erhalten hatte, jetzt damit belehnt.
Ein rügenscher Erfolgskrieg entstand. Aber die pommerschen Städte
und der rügensche Adel hielten treu zu Wartislaw Hause, schlugen die
Mecklenburger zurück und retteten das Fürstentum für Pommern.
Auch in einem später noch einmal begonnenen Kriege hatten die Mecklenburger
nicht besseren Erfolg. Die Gefahr, mecklenburgisch zu werden, war damit
für Rügen beseitigt. Die folgenden Zeiten des 14. , sowie
des15. und 16. Jahrhunderts bringen wenig große politische Ereignisse
für unsere Insel. An den großen Kämpfen, welche in diesen
Jahrhunderten die Hansestädte gegen die nordischen Reiche führten,
ist Rügen selbst nur unbedeutend direkt beteiligt, es tritt hier naturgemäß
gegen Stralsund zurück, das jetzt den Höhepunkt seiner Macht
erreicht. Aber doch kann diese Zeit in der Geschichte Rügens nicht
ganz übergangen werden. War es doch das Jahr 1368 , in welchem die
große Fotte der Hansestädte von ihrem Sammelplatz, dem Gellen,
auslief, um das dänische Reich niederzuwerfen. Zweihundert Jahre waren
vergangen, seit Waldemar I. Rügen unterworfen hatte; nun unternahmen
von Rügens Küste aus die deutschen Städte, die Erben der
einstigen slawischen Macht, den Vergeltungskrieg gegen Dänemark. Wieder
saß ein Waldemar auf dem dänischen Throne, der vierte seines
Stammes. Auch ihn verknüpfen manche Bande mit Rügen. Sein Günstling
sowie seine Geliebte stammten beide aus dem rügenschen Geschlechte
der Putbus. Als die hansische Flotte herannahte, verließ der
einst so kühne und glückliche Waldemar IV. kleinmütig sein
Land. Und wie eine Ironie auf die einstige Machtstellung Dänemarks
fügte es sich, daß er seinem Günstling Henning Putbus,
einem Sproß des rügenschen Königshauses, das der erste
Waldemar vor gerade zweihundert Jahren gestürzt hatte, den Schutz
seines Landes anvertraute! Um seine Geliebte aber, die " kleine Towe",
hat die Sage einen romantischen Kranz gewunden. Sie soll eine Rüganerin
aus dem Hause Putbus gewesen sein. Unendlich innig hing Waldemar an ihr.
Und als sie starb, konnte er sich von dem Leichnam nicht trennen
und trug ihn überall mit sich. Towe hatte an ihrem Leibe ein verborgenes
Amulett, das diese Zauberkraft auf den König ausübte. Das entdeckte
endlich ein Diener. Er nahm das Zauberstück und vergrub es im Parke
des Schlosses Gurre bei Helsingör auf Seeland. Nun übertrug sich
die Liebe des Königs auf das Schloß Gurre, das fortan sein Lieblingsaufenthalt
blieb. Noch andere rügensche Edelleute waren in Waldemars IV.Diensten,
so ein Moltke von Neuenkirchen, ein von der Lanken. Der Glanz des Hoflebens
übte diese Anziehungskraft auf den Adel aus.Der Vater jenes Henning
dagegen, Borante von Putbus, hielt sich von diesen Bestrebungen fern. Üeberhaupt
haben die Putbus, damals noch Ritter, in diesen Zeiten in eigentümlich
enger Freundschaft zu Stralsund gestanden. 1380 hatte die Stadt mit ihnen
ein Defensiv-Bündnis geschlossen, und Pridbor von Putbus übergab
1416 sein Schloß der Stadt zeitweise zum Pfand für eine Anleihe.
Ja, 1466 heiratete der Stralsunder Bürgermeister Erasmus Stenweg eine
Tochter des Ritters Nikolaus von Putbus, Hippolyta. In nicht mehr so freundschaftlicher
Beziehung wie noch 1316 standen manche andere Adelsfamilien Rügens
jetzt zu Stralsund, wie wir auch noch später finden werden. Jetzt
überwachten die Stralsunder die Insel, daß von dieser Seite
keine Gefahr für die Hansa komme und belegten die Güter der dänisch
gesonnenen Adligen mit Beschlag. Infolge dieser Kriege und des später
zwischen Waldemars Tochter Margarete und Mecklenburg um die Krone Schwedens
geführten, war das Seeräuberunwesen auf der Ostsee wieder in
Blüte gekommen. Zum Entsatz und zur Verproviantierung Stockholms,
das Margarete belagerte, ließen die Mecklenburger Fürsten, deren
einer die schwedische Krone trug, Schiffe auslaufen, die zugleich gegen
die Dänen kapern sollten. Vitalienbrüder nannten sich die
Kapitäne dieser Schiffe nach ihrer Aufgabe. Allein sie plünderten
alle Fahrzeuge, denen sie begegneten, und als Stockholm 1395 fiel, stellten
sie ihr Handwerk keineswegs ein. Sie nannten sich nun Likendeeler, d. h.
Gleichteiler, weil sie die Beute zu gleichen Teilen unter sich teilten.
Die Schädigung, die der Handel von ihnen hatte, war unberechenbar.
Endlich raffte die Hansa sich auf und ging diesem Unwesen energisch zu
Leibe. Die verwegensten dieser Likendeeler waren Klaus Störtebecker
und Goedeke (Gottfried) Michel. Beide bringt die Sage mit unserer Insel
Rügen in Verbindung. Störtebecker soll ein entlaufener Knecht
aus Ruschvitz aus Jasmund gewesen sein, Michel aus Barth gestammt haben,
oder auch umgekehrt; jedenfalls waren beide aus rügenschem Lande.
Aus niedrigem Stande arbeiteten sie sich zu Kapitänen und Hauptleuten
der Likendeeler herauf, ihre Kühnheit machte sie zum Schrecken aller
Schiffer der Ostsee. Störtebecker hatte sich in Spanien Gebeine irgend
eines Heiligen "gemauset", wie ein Chronist sagt; diese Heiligen "gemauseten"
Knochen gaben ihm das Glück, das er bei allen Räubereien hatte,
und das man damals unmöglich seiner natürlichen Verschlagenheit
und der Kraft seiner eigenen Knochen allein zuschreiben konnte. Ungeheure
Schätze hatte er zusammengeraubt, sie verbarg er in der unzugänglichen
Schlucht bei Stubbenkammer, in welcher sich eine, jetzt verschüttete,
Höhle befand. Noch haftet ja die Sage von verborgenen Schätzen,
wie schon im vorigen Jahrhundert, an der Schlucht beim Königsstuhl.
Niemand hat die Schätze gesehen außer einem Missethäter,
dem man im vorigem Jahrhundert zur Rekognoszierung an einem Strick von
der Höhe des Königsstuhls herabgelassen haben soll. Er erzählte
Wunderdinge von dem, was er da unten geschaut habe; nur ist es noch wunderbarer,
daß man die vermeintlichen Schätze nicht heraufholte. Ob man
abgeschreckt wurde durch die Jungfrau, die Störtebecker ebenfalls
hier eingesperrt hatte und die noch jetzt in mondheller Nacht hervorkommt
aus der Schlucht, um am Waschstein das thränenfeuchte Tuch auszuwaschen?
Dies Jungfräulein giebt ja erst der ganzen Störtebecker-Geschichte
den romantischen Zauber. Sie hatte er aus Riga geraubt, vom Traualtar
weg, wo sie eben wider Willen einem Manne angetraut werden sollte. Auf
Stubbenkammer verbarg er sie, seinen besten Schatz, vor den nachjagenden
Feinden. Aber im Arm der Liebe duldete es den unruhigen Gesellen nicht.
Noch eine Fahrt nur wollte er wagen, sie bat und flehte, ihr bangte das
Herz, umsonst! Dem Likendeeler war auch das Herz in "like Deele" getheilt,
in Raubluft und Liebe. So ging er wieder hinaus auf die See. Aber die Hanseaten
jagten ihn in die Nordsee, und hier ereilte ihn das Verhängnis. Eine
Hamburger Flotte nahm ihn mitsamt Goedeke Michel und anderen Spießgesellen
nach scharfen Kampfe bei Helgoland gefangen. Im Triumpf brachte man den
Gefürchteten nach Hamburg. Vergebens bot er für sein so viel
Gold, wie ein hohler Mast fassen könne. Nur die grausame Vergünstigung
ward ihm zuteil, daß er erst die Köpfe Helfershelfer durfte
fallen sehen, ehe er selbst hingerichtet wurde (1402). Noch lange bewahrten
die Hamburger den erbeuteten Humpen Störtebeckers auf, den ihm einst
ein holländischer Edelmann aus Gröningen verehrt hatte mit der
bezeichnenden Inschrift: "Ick Junker Sissinga von Groninga drunk dees Heusa
(Gefäß) In een Fleusa (Zug) door (durch) myn kraga In een maga
(Magen).! Empfindlicher als bisher wurde Rügen von dem Hansekrieg
zu Anfang des 16. Jahrhunderts betroffen. Im Verlaufe desselben landeten
1511 die Dänen 5000 Mann auf Jasmund und verwüsteten die zahlreichen
Besitzungen Stralsunds auf Rügen bis in die Gegend der alten Fähre.
Als man in Stralsund hiervon 'erfuhr, wurde ein Bürgerheer von 800
Mann nach der alten Fähre hinübergesetzt, um die Dänen
zu verjagen, deren Stärke man nicht kannte. Inzwischen stiegen einige
Bürger auf den Jakobikirchturm, der damals noch seine schlanke gothische
Spitze hatte, um nach Rügen Ausschau zu halten. Da gewahrte man denn
an den zahlreichen Feuerscheinen, daß die Dänen den Bürgern
bei weitem überlegen sein müßten und benachrichtigte schleunigst
den Rat von der augenscheinlichen Gefahr der Hinübergesandten.
Sogleich wurden alle verfügbaren Fahrzeuge zur Rettung hinübergeschickt.
Es war die höchste Zeit. Die Stralsunder waren mit den Plünderern
schon handgemein geworden und von deren Masse nach Altefähr zurückgedrängt.
Hier in dem Hohlwege des Dorfes entspann sich ein letzter, wütender
Kampf. Kaum landeten die Fahrzeuge, da stürzte alles in wilder Flucht
hinein. Ein kleines Häuflein in dem Hohlwege deckte den Rückzug
und verschaffte, indem es sich heldenmütig bis auf den letzten Mann
aufopferte, seinen Mitbürgern die Zeit zur Rettung. Es war nicht das
letzte Mal, daß hier in Altefähr blutig gerungen wurde. Die
Dänen zogen sich jedoch mit ihrer Flotte zurück, da sie für
eine Belagerung des wachsamen Stralsund sich zu schwach fühlten. Die
Jahrhunderte, in denen die mächtige Hansa den nordischen Reichen erfolgreich
gegenübertreten konnte, sind zugleich angefüllt mit inneren Parteifehden
in den Hansestädten. Für Stralsund kamen noch die Kämpfe
mit dem pommerschen Herzögen hinzu. Es waren ja die Zeiten der höchsten
städtischen Machtentfaltung, die landesherrliche Gewalt aber war noch
zu schwach, um die Privilegien und Vorrechte der stolzen Stadt am Strelasunde
brechen zu können, wenngleich die immer wiederholten Versuche dazu
nicht ausblieben. In den Strudel dieser Wirren wurde auch der rügensche
Adel mit hineingezogen. Er war zum Teil im Dienste des Herzogs und daher
ein Gegner der Stadt; anderseits war persönliche Entzweiung mit den
Oberhäuptern Stralsunds Veranlassung zu tötlichem Haß.
Und so spiegeln die blutigen Fehden Stralsunds mit rügenschen Adelsfamilien
das Zeitbild der allgemeinen damaligen Zustände des Reiches getreulich
wieder, wo die Gewaltthätigkeit groß, das Recht gering, die
eigne Faust der Schiedsrichter war. Starke Suhm, aus altem rügenschen
Adelsgeschlecht, erbgesessen auf Kaiseritz bei Bergen, war befreundet mit
dem mächtigen Stralsunder Bürgermeister Wulf Wulflam, dessen
Haus mit seinem hohen Giebelbau noch jetzt in fast ursprünglicher
Gestalt am alten Markt zu Stralsund steht. Aber die beiden Herren erzürnten
sich aus unbekannt gebliebenen Gründen, und unversöhnlicher Haß
trat an die Stelle einstiger Freundschaft. Als Suhm am 2. März 1405
mit seinem Sohne wieder einmal nach Stralsund hinüberkam, wurde er
im Fährboot von Meuchelmördern überfallen und erdolcht.
Seinen Sohn Thorkel rettete nur das Mitleid des Fährmanns. Man brachte
den Leichnam nach Stralsund, und da man gewohnt war, Suhm bei Wulfam
absteigen zu sehen, legten die Fährleute den Toten vor des Bürgermeisters
Haus nieder. Aber Wulflam, dessen Haß selbst den Tod des Gegners
überdauerte, schrie aus dem Fenster: "Je scholden em dat beest von
der doren bringen." Das war nun eine Roheit, die selbst den starken Nerven
jener Zeit etwas zu viel bot, man munkelte, daß Wulflam der Unstifter
des Mordes gewesen sei, Suhms Sohn, der die näheren Verhältnisse
kannte, ward es zur Gewißheit. Doch vor welches Tribunal sollte er
den Mörder fordern? In Stralsund war Wulf allmächtig, mit dem
Herzog war er eng befreundet, der hätte sich auch gehütet, deswegen
mit der Stadt anzubinden. So nahm Thorkel Suhm, über dessen Haupt
ja auch der Mordstahl geschwebt hatte, die Rache in die eigene Hand.
Fünf Jahre mußte er sich gedulden. Am Allerheiligentag 1409
fand er Gelegenheit, auf dem Kirchhofe zu Bergen dem sonst unnahbaren Wulflam
den Dolch ins Holz zu stoßen. In der allgemeinen Verwirrung konnte
er entfliehen; aber die böse That gebar wieder Böses. Sobald
die Kunde von der Ermordung des Bürgermeisters nach Stralsund gelangt
war, setzte ein Bürgerheer zur Verfolgung des Mörders nach Rügen
über. Konnte man seiner auch nicht habhaft werden, so ward doch sein
Hof Kaiseritz zerstört. Eine Fehde der ganzen Sippe der Suhms mit
Stralsund war die Folge. Erst nach 5 Jahren wurde durch des Herzogs Wartislaw
VIII. Vermittelung die Sache beigelegt. Die Stadt bezahlte den Suhms 1800
Mark Entschädigungsgelder, sie dagegen mußten die
Hand des ermordeten Bürgermeisters in feierlicher Prozession in der
Nikolaikirche zu Grabe tragen, Thorkel Suhm aber blieb von der Versöhnung
ausgeschlossen. Vielleicht war er der Urheber eines Überfalls,
den 1421 mehrere adlige rügensche Herren gegen das Gut Bessin bei
Altefähr machten, das dem Schwiegersohne Wulf Wulflams, Matthias Darne,
gehörte. Nach der guten alten Sitte des Faustrechts wurde der
Hof um Mitternacht mit einer Visite beglückt, die Pferde fortgeführt,
Getreide, Hausgerät und andere Kleinigkeiten geraubt. Stralsund verfestete
die räuberischen Herren, und so ging wieder Mord und Totschlag
aus dieser Saat auf. Alles dies aber ist Kinderspiel gegen die hartnäckige
und langwierige Fehde, welche Stralsund mit dem rügenschen Geschlechte
der Barnekows auszufechten hatte. Raven Barnekow war herzoglicher
Vogt auf Rügen. Herzog Wartislaw IX., in seiner ungeschickten kriegerischen
Politik gegen Mecklenburg von dem Stralsunder Bürgermeister Otto Voge
mit Recht nicht unterstützt, beschloß, diesen zu stürzen
und wo möglich das Stadtregiment in seine Hand zu bekommen. Mit einer
Partei der Unzufriedenen in Stralsund setzte er sich in Verbindung, und
es kam eine Verschwörung gegen den Rat zustande. Zur Ausführung
des Handstreiches wurde der Städtetag ersehen, der für 1453 nach
Stralsund ausgeschrieben war. Die adligen Anhänger des Herzogs sollten
sich in Menge dort einfinden, darunter auch der rügensche Landvogt
Raven Barnekow. Aber Otto Voge fing am Tage vor der Versammlung einen Brief
der Verschworenen auf, durch welchen der Herzog arg kompromittiert,
und der ganze Anschlag verraten wurde. Jetzt galt es zu handeln, und der
Bürgermeister Voge besaß die ganze Energie, einem solchen Schritte
zu begegnen. Er ließ die Stadtthore schließen und besetzen,
um dem Herzog den Eintritt zu wehren, und von Rügen durften die Fährleute
nur den Landvogt Barnekow hinüberlassen. Der hatte vom Herzoge den
Auftrag, den Aufstand gegen Voge in Gang zu bringen, ahnte aber noch
nicht, daß er sich in die Höhle des Löwen begebe, aus der
kein Entrinnen mehr möglich war. In der Nikolaikirche eröffnete
der Bürgermeister die Versammlung. Wie ein Blitz aus heiterem
Himmel traf sie hier die Mitteilung von der Entdeckung der Verschwörung,
und mit donnernder Stimme schalt Voge den Herzog einen Verräter an
der Stadt Stralsund. Raven Barnekow ergriff das Wort zur Verteidigung
seines Herrn. Nicht der Herzog, sondern Voge sei ein Verräter am Herzog,
und das werde sich bald erfinden. Voge merkte, worauf das hinzielte; noch
hatte er die Macht in Händen. Er besann sich nicht lange, wo
es sich um Sein oder Nichtsein handelte, ließ den Landvogt verhaften
und wußte auch die auf dem Markte zusammenkommenden Bürger zu
beschwichtigen. Als der Herzog von solch unerwarteter Wendung der
Dinge hörte, versuchte er wenigstens, seinen Vogt zu retten. Doch
die Stralsunder verweigerten die Auslieferung desselben, da sie das Recht
hatten, auf ihrem Gebiete verübte Verbrechen selbst zu richten.
So wurde denn Raven Barnekow in der Stadt der Prozeß gemacht, und
nach dreiwöchentlichem peinlichen Verhör wurde er wegen Hochverrat
an der Stadt zum Tode verurteilt. An ein Pferd gebunden, ward er
durch die Stadt zum Richtplatz geschleift, an allen Straßenecken
rief der ihn begleitende Büttel das Verbrechen aus, dessen er sich
schuldig gemacht habe. Was half es, daß er sich, soweit er
noch Kräfte hatte, aufrichtete und dagegen rief: sie lögen es
wie ehrlose Schelme und böse Wichte! Draußen vor dem Thore ward
er aufs Rad geflochten. So erforderte es das Recht der guten alten
Zeit.- Kaum hatte der rügensche Landvogt unter Qualen sein Leben ausgehaucht,
da begannen seine Söhne und der Herzog den Kampf gegen die Stadt.
Die Sundischen wurden aufgegriffen, wo man ihrer gerade habhaft wurde,
ihre Besitzungen zerstört, ihre Güter geraubt; sehr empfindlich
litt Handel und Verkehr. Zugleich forderte Wartislaw in einem sehr
energischen Schreiben die Auslieferung der Urheber der "boshaftigen
Missethat". Aber das alles konnte Voges Macht noch nicht erschüttern.
Erst als er mehrere Bürger verhaften ließ, die an dem vereitelten
Attentat gegen den Rat beteiligt gewesen sein sollten, und jeder fürchtete,
daß auch er an die Reihe käme, brach der Sturm gegen seine Diktatur
los. Zwar konnte er ihn noch beschwichtigen, aber er sah seine Stellung
wanken und verließ deshalb die Stadt. Jetzt söhnten die Sundischen
sich auch wieder mit dem Herzog aus. Mit den Barnekows aber dauerte die
Fehde noch 17 Jahre lang. Raven Barnekow der Jüngere raubritterte
gegen Stralsunder, wo er Gelegenheit fand, Jaroslaw Barnekow dagegen, der
die Rechte studiert hatte, machte beim Kammergericht einen langatmigen
Prozeß gegen Stralsund anhängig wegen Schadenersatz für
den hingerichteten Vater. Nach vollen zehn Jahren kam denn hier das Urteil
zustande: die Stralsunder wurden in die Prozeßkosten verurteilt und
sollten den Söhnen Barnekows 500 Mark Gold (300000 Mark!) Schadenersatz
geben, für die Seele des Hingerichteten aber verschiedene Messen,
Altäre usw. stiften, widrigenfalls sie in die Reichsacht gethan würden.
Und wirklich wurde Stralsund nach abermals vier Jahren, 1469, als
es sich um den Urteilsspruch immer noch nicht gekümmert hatte, in
die Reichsacht erklärt! Aber der damalige Kaiser Friedrich III. hatte
keine Macht, diese vollstrecken zu lassen, und so blieb alles beim
alten. Erst dem Pommernherzog Erich gelang es 1470, unbekümmert um
Reichsgericht und Reichsacht, auf eigene Hand einen Vergleich zwischen
den hadernden Parteien zustande zu bringen. Die beiderseitigen Schäden
wurden kompensiert. Der Herzog gab den Barnekows aus eigener Tasche einen
Schadenersatz und sorgte für ein ehrliches Begräbnis des
Hingerichteten in Greifswald, wohin er die Leiche holen ließ. Wie
war an diesen speziellen Beispielen sehen, so war auch im allgemeinen das
Völkchen Rügens in damaliger Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts
ein höchst rauflustiges, Kantzow nennt es sogar ein "sehr zenkisch
und mortisch folk." Die damalige Sitte, stets Schwert oder Spieß
bei sich zu führen, trug viel dazu bei. Bewaffnet ging man zum
Hochzeitsschmaus, gewaffnet sogar zur Kirche. Hier setzte man die Spieße
vor die Kirchenthür oder nahm sie sogar mit hinein. War dann der Gottesdienst
aus, so erhob sich draußen oft "ein lermen." Sonderlich in
den Krügen, wenn Bier oder Wein den Kopf erhitzt hatten, gerieten
die Rüganer oft aneinander. Da endete mancher Disput mit handgreiflichem
Beweis, und wenn einer sagte: "Dat walde gott un een kolt isen",
"so mag man ihm wohl auf die Fäuste sehen und nicht aufs Maul, denn
er ist balde an einem." Einen schlimmen Stand hatte unter solchen Verhältnissen
der Landvogt an den Gerichtstagen, die alle Sonnabend in Bergen abgehalten
wurden. Da hatte er von früh bis spät abends genug zu thun. Und
er unterbrach die Sitzung nicht gerne des Mittags wegen, da er seine Leute
sattsam kannte. Denn so er sie weggehen ließ und nach dem Essen
wieder beschied, so trinken sie sich "etwan full" und richten einen neuen
"allerm" an. Und wenn sie wiederkommen, treiben sie "solch ungestümigkeit"
vor Gericht, "daß der Landvogt nyrgentz mit ihnen auskann."
Wie im Trinken, so mochte auch im Essen der damalige Rüganer oftmals
des Guten zuviel thun, wenigstens läßt ein Vers eines kamminer
Bischofs das schließen, wenn es heißt: "Wenn du nicht
täglich vermagst, zu verschlingen sieben Mahlzeiten und eine Unmasse
Käs', kannst du Rüganer nicht sein. "Das Selbstbewußtsein,
daß sich in dem ganzen Benehmen der Bevölkerung ausdrückte,
hatte seinen Grund in einer gewissen Wohlhabenheit, der auch der Bauer
auf Rügen sich im allgemeinen erfreute. Viele hatten ihre Dienstleistungen
mit Geld abgelöst und fühlten sich ganz wie Freie. Und
es kam vor, daß ein armer Edelmann seine Tochter einem reichen Bauern
zur Frau gab, deren Kinder sich dann "halb frei" achteten und "Knesen"
genannt wurden. Sicherer Umsatz seiner Produkte in Geld war dem Bauer
gewiß. Korn und Vieh, alles wurde er in Stralsund, wohin er es nur
zu Markte bringen durfte, leicht los. Berühmt waren schon damals die
rügenschen
Gänse, und weil auch sie nur in Stralsund zum Handel gebracht
werden durften, gab es ein Scherzwort: "Wenn die rügenschen Gänse
aus dem Thore gehen, so recken sie den Hals auf nach dem Sunde. "Besondere
Liebhaberei hatten manche Edelleute und Bauern an der Zucht von Windhunden,
deren beste sogar weit außer Landes verhandelt wurden. Nur auf Wittow
waren die Hunde verboten. Dort hatten die Herzöge ein Hasengehege,
und wegen Schonung desselben durfte kein Bauer einen Hund halten, es sei
denn, daß er ihn vorher lahm geschlagen oder ihm ein Bein abgehauen
hatte. Die Geistlichkeit auf Rügen rekrutierte sich in reformatorischer
Zeit aus dem Adel. Sie stand immer noch unter dem Bischof von Roesfilde,
an ihn wurden auch die kirchlichen Abgaben entrichtet, der sogenannte Bischofsroggen.
Der Schweriner Bischof, dem Rügen ja auch unterstellt war, scheint
nie Einfluß auf der Insel gehabt zu haben, und wagte es gar mal der
pommersche Bischof von Kammin in die geistlichen Angelegenheiten
der Insel sich zu mischen, so konnte er sicher sein, daß die Geistlichen
"nicht nach seiner Pfeife tanzten". Sie hielten sich ihre Gehülfen,
Plebanen, die den Gottesdienst verrichteten, während sie selbst nur
selten die Kanzel betraten, und dann nur, um den "Pöfel" mit scharfen
Worten mal ins Gewissen zu reden und gegen klingende Opferspende die Sündenmakel
zu erlassen. Sie selbst freilich machten es nicht besser als der
Pöfel, und in nichts unterschieden sie sich von ihren zeitgenössischen
Amtsbrüdern. Latein, Griechisch und Hebräisch waren auch für
sie unbekannte und längst überwundene Größen, um so
genauer wußte man mit Messen, Almosen, Wallfahrten, am besten mit
den Künsten des Trinkens und Schmausens, des Karten- und Brettspiels
Bescheid; und um die Bestimmungen des Cölibats verstanden auch
sie sich herumzudrücken. Die reformatorischen Beschlüsse des
Konstanzer und Baseler Konzils wurden zwar auch den rügenschen Geistlichen
vorgehalten, aber "es hieß: viel gesagt und wenig gethan".
Gerade so sah es schließlich in den rügenschen Klöstern
aus. Die Mönche auf Hiddensöe, die sich mit dem Abschreiben der
Kirchenväter und der alten "musikalischen Konzerte", d. h. der lateinischen
Kirchengesänge und Noten beschäftigt hatten, verloren durch die
Erfindung der Buchdruckerkunst ihre Arbeit und verlotterten. Und daß
auch im Berger Nonnenkloster nicht alles mehr in Ordnung war, läßt
schon eine Sage des vorigen Jahrhunderts von einem Nonnenloch auf Mönchgut
vermuten, wohinein die zur Strafe des lebendig Eingemauertwerden verurteilten
Nonnen gestürzt sein sollen, und macht eine spätere Visitation
des Klosters zur Gewißheit. Klöster und Geistlichkeit waren
zwar von Abgaben frei, aber doch hatten es die Herzöge verstanden,
die reichen Herren zu schröpfen. Sie besuchten sie auf ihren
Reisen auf Rügen, und solche Ehre erwiderten dann die Geistlichen
notgedrungen mit "Futter und Mahl". Das war anfangs eine freiwillige Leistung,
die im Laufe der Zeiten Gesetz wurde unter dem Namen des Ablagers
oder der Herrenbitte. Aber Bogislaw X. machte die Sache wohl doch
zu bunt, die Geistlichkeit klagte, daß, wenn man dem Herrn noch wohl
gütlich thun wolle, so doch "dessen Schwanz ihnen zu groß
fiele", "maßen Bogislaw gemeiniglich eine ansehnliche Suite bei sich
führte", die mit dem Schwanz gemeint ist. Daher wurde die Verordnung
getroffen, daß Klöster und Geistliche fortan ein gewisses
"Ablager-Geld" in das herzogliche Amt 'zu Bergen zahlten und dafür
fortan von der Ehre des Besuches verschont blieben. Auf andere Weise wußte
die spekulative Geistlichkeit aber wieder Geld zu verdienen. Auf
dem Zudar hatte man einen Wallfahrtsort etabliert, dessen Besuch für
Frauen und Kinder soviel galt wie eine halbe Reise nach Rom. Auch hatte
man sich einen Ablaß für diese heilige Stätte, die
in der Chronik leider nicht mit Namen genannt ist, verschafft, und der
große Zulauf brachte eine schöne Summe Geldes ein. Denn das
weibliche Geschlecht zog diesen nahen Ort natürlich dem entfernten
Rom vor, und pilgerte lieber zweimal nach dem Zudar als einmal nach Rom,
zumal das Fazit dasselbe war. Aber im Jahre 1372 überraschte ein Sturm
die nach dem Zudar segelnden Pilger, und gegen 90 Personen, Kinder
und Frauen, ertranken. Seit der Zeit kam der Wallfahrtsort in Mißkredit
und ging ein. Das ganze Christentum ging schließlich wie überall
so auch auf Rügen in äußerlichem Formelkram auf,
daneben grassierten Überreste heidnischen Aberglaubens, vermischt
mit christlichem. So wurden am Christabend Korngaben ins freie gebracht
und dem Wind und Schnee ausgesetzt. Von diesem so geweihten Korn
bekam jedes Mitglied der Familie und selbst jedes Stück Vieh zu essen
zum Schutz gegen Krankheiten. Die am Palmsonntag geweihten Zweige nagelte
man über Haus- und Stallthüren, dadurch wurde "der Böse"
abgehalten, und beim Gewitter legt man davon aufs Feuer, dann schlug der
Blitz nicht ein. Und tausenderlei mehr. Ernstere Gemüter konnten an
solchem Christentum keine Befriedigung finden, und das ganze Gebahren
der Geistlichen, das nur auf Geldgewinn hinauslief, und ihr anstößiger
Lebenswandel öffnete schließlich auch dem Blödesten die
Augen über die Ausbeutung der frommen Einfalt gläubiger
Schafe. Mächtige Anregungen gegen das Pfaffentum gingen von Stralsund,
wo der Haß gegen die schnöde Pfaffenwirtschaft sich öfters
in gewaltigen Explosionen Luft machte, auch nach Rügen aus.
Und als endlich unter dem Ansturm der reformatorischen Ideen in Stralsund
das morsche Gebäude "des Antichrist" zusammenbrach, 1524, zog auch
auf Rügen diese Erschütterung ihre Kreise. Es ist urkundlich
das Jahr nicht festzustellen, wann die Reformation auf Rügen begann,
jedenfalls jedoch noch in demselben Jahre wie in Stralsund, das brachten
schon der beständige Verkehr und die vielen Besitzungen der
Stralsunder auf der Insel mit sich. Daß auch auf Rügen Bilderstürmerei
nicht ausblieb, bezeugt ein Chronist des vorigen Jahrhunderts, der noch
verstümmelte Heiligenbilder in den Kirchen sah. Endlich waren auch
hier die Zuckungen der Katastrophe überwunden, und auf dem pommerschen
Landtage zu Treptow an der Rega 1534 wurde auch das Kirchenwesen
der Insel geordnet, die jetzt vollständig der evangelischen Lehre
angehörte. Die von Bugenhagen, dem Reformator Pommerns, ausgearbeitete
Kirchenordnung wurde auch auf Rügen eingeführt, und damit
dem bisher noch unklaren Zustande in der rügenschen Kirchenordnung
ein Ende gemacht. Die ganze Insel wurde in vier kirchliche Distrikte eingeteilt,
sogenannte Präposituren, die Berger, Gingster, Poseritzer, Jasmund-Wittower.
Diese Einteilung bestand bis 1806, wo sie in zwei, die Berger und Garzer
Probstei, umgeändert wurde. In preußischer Zeit sind dann drei
Superintendenturen auf Rügen eingerichtet, die Altenkirchener, Berger
und Garzer. Das Hiddensöer Kloster wurde 1535 aufgehoben und unter
herzogliche Verwaltung gestellt, Abt und Mönche mit einem Jahrgehalt
abgefunden, manche wurden evangelische Prediger. Das Berger Nonnenkloster
blieb nach einem Beschluß von 1541 bestehen als Versorgungsanstalt
für unverheiratete Töchter des Adels, daher sein jetziger
Name: adliges Fräuleinkloster. Andere Stiftungen auf Rügen, wie
das St. Jürgenhospital in Rambin, welches der Stralsunder Ratsherr
Gottfried von Wickede 1334 für Aussätzige gestiftet hatte,
blieben ebenfalls bestehen und dienten fortan zur Aufnahme bedürftiger
Personen. Mit den auswärtigen Bischöfen, zu deren Sprengel Rügen
bisher gehört hatte, mußten Auseinandersetzungen stattfinden.
Leicht geschah es mit dem Schweriner, der 1538 selbst Protestant wurde.
In Dänemark wurde zwar auch die Reformation eingeführt, aber
doch wollte der Roeskilder Bischof sich den Treptower Beschlüssen
nicht fügen und seine alten Ansprüche auf Rügen, die ja
seit 1168 bestanden, nicht aufgeben. Der Herzog Philipp nahm als Landesherr
von Pommern und Rügen die Einkünfte und Güter des
Roeskilders auf Rügen an sich, langwierige Verhandlungen folgten,
es schien zum offenen Bruch mit Dänemark zu kommen, da der König
sich der bischöflichen Ansprueche annahm, bis endlich 1543 in Kiel
ein Vergleich zustande kam. Der Herzog gab Einkünfte und Güter
des Roeskilder Stifts wieder frei, wogegen der König von Dänemark
sich zur Belohnung eines Superintendenten auf Rügen verpflichtete,
dem an Stelle des Bischofs die Kirchen der Insel unterstellt werden sollten.
Dieser Geistliche sollte vom Herzog ernannt, vom König und Roeskilder
Bischof bestätigt werden. Nur drei solcher Superintendenten
hat Rügen gehabt; zu Ende des 16. Jahrhunderts wurde dies Amt aufgehoben
und mit der General-Superintendentur von Wolgast vereinigt. So war
denn mit dem Jahre 1543 die Reformation auf Rügen vollständig
ein- und durchgeführt, eine katholische Reaktion ist nie eingetreten.
Aber das Leben behielt noch viel von seiner vorigen Wildheit, und die sittlichen
Zustände ließen noch lange viel zu wünschen übrig,
wie denn Kantzow, allerdings wohl übertrieben, sagt, daß noch
um diese Zeit in ganz Pommern jährlich nicht so viel vom Adel und
und anderen erschlagen würden, wie gerade auf Rügen. Daß
auch das kirchliche Leben nicht mit einem Schlage ein engelgleiches ward,
läßt sich denken. Es ist uns ein köstliches Beispiel davon
Beispiel davon aufbewahrt, das zugleich zeigt, wie die Idee des allgemeinen
Priestertums im rügenschen Lande lebendig war und in die That umgesetzt
wurde. Der Prediger der Insel Ummanz war geschäftlich nach Pommnern
verreist. Während seiner Abwesenheit sollte ein Kind gekauft
werden. Der Vater wollte oder konnte nicht zu dem benachbarten Prediger
senden. Da bot ein Bauer seine willigen Dienste an und verrichtete das
heilige Werk. Nachdem er dreimal das Kind mit Wasser benetzt hatte,
sagte der Vater: he schull em noch eene Gäte gewen (er sollte dem
Kinde noch einen Gruß geben, d. h. noch einmal mit Wasser benetzen),
damit das Kind desto glücklicher werde. Aber der Bauer - Priester
kannte den Ritus und that es nicht, und so war das Kind getauft. Als dieser
"seltsame Casus" ruchbar wurde, kam der Gingster Präpositus zur Untersuchung.
Der gute Bauer saß eben auf dem Dache und deckte sein Haus,
als der Präpositus ihn gewahrte und begrüßte mit den Worten
"Ei, lieber Kollega, kommt doch ein wenig herunter! Da wollte der Kollega
Reißaus nehmen, wurde aber eingeholt und mußte "eine
gute Weile dafür im Gefängnis pausieren". Die Reformation hatte
auch wieder einmal an das Verhältnis Rügens zu Dänemark
erinnert. Hatte der Herzog Wartislaw IV. 1325 Rügen noch als
dänisches Lehen empfangen, so lockerte sich das Verhältnis unter
Karl IV. 1348 die Pommernherzöge damit belehnte. Waldemar IV. wußte
jedoch bei seinem anfänglichen Kriegsglück die Anerkennung der
dänischen Oberhoheit wieder zu erlangen. Aber unter seiner Tochter,
der Unionskönigin Margareta, und deren Nachfolger Erich dem Pommer
verdunkelte sich das Verhältnis vollständig. Kaiser Sigismund
belehnte den Herzog von Pommern-Wolgast auf dem Konstanzer Konzil 1417
mit Rügen, und König Erich soll nach seiner Absetzung 1438 der
Wolgaster Linie die Insel als freies Eigentum übertragen haben.
Jedenfalls ist nach dieser Zeit Rügen politisch von Dänemark
thatsächlich losgelöst, während die kirchliche Abhängigkeit
auch noch die Reformationszeit überdauerte. Wieder kam dann
eine ernstliche Gefahr, dänisch zu werden, 1625 für Rügen.
Der Herzog Philipp Julius von Pommern-Wolgast, derselbe, welcher Bergen
für 8000 Mark städtische Gerechtigkeit verlieh, wollte,
um seine ewige Geldverlegenheit zu decken, die Insel Rügen mit allen
Gerechtigkeiten an Dänemark verkaufen für 150 000 Reichsthaler1
die Urkunden für diesen schnöden Handel waren schon von
ihm untersiegelt, da verweigerte der Stettiner Herzog Bogislaw XIV., der
des kinderlosen Philipp Lande erben mußte. Seine Zustimmung, und
der Kauf unterblieb. Philipp starb noch im selben Jahre. Aber die
Gefahr, an Dänemark zu kommen, trat nach fünf Jahren noch einmal
für Rügen ein, und wurde es damals auch nicht dänisch, so
sollte es doch anderweitig von Deutschland losgerissen werden
und für fast 200 Jahre politisch dem deutschen Reiche verloren sein. |