Geschichte Rügens - von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart - von Otto Wendler, 1895

Rügen unter dänischer Oberhoheit

Während dieser Vorgänge hatte Heinrich der Löwe, der Rival des Dänenkönigs Waldemar hier im Norden, in seinem Herzogtume Sachsen gegen wiederspenstige Vasallen zu kämpfen und also keine Zeit, sich um den Verlauf  der Sachen an der Ostseeküste zu kümmern. Bald erfuhr er von seinen Lehnsfürsten Pribislaw, dem Obotriten, sowie von Kasimir und Bogislaw, wie durchaus in dänischem Interesse die Eroberung der Insel Rügen verlaufen sei. Er war nicht der Mann, der einen Schritt umsonst getan und freiwillig auf ihn Zukommendes verzichtet hätte. Sobald er in Sachsen daher die Hände einigermaßen frei hatte, schickte er zu Waldemar und ließ sich die Hälfte der gemachten Beute sowie des jährlichen Tributes von Rügen ausbitten. Das kam ihm ja zu, gemäß den Abmachungen von 1166. Aber Waldemar dacht nicht daran, von seinem Raube etwas herauszurücken. So mußte denn Heinrich der Löwe seine Ansprüche auf andere Weise herauspressen. Er ließ Pommern und Mecklenburger gegen die dänischen Küsten los, und diese raubten und plünderten dort schrecklich. Zwar stand Rügen treu zu Waldemar, zwar vergalt er den Seeräubern die Schandtaten in ihrem eigenen Lande, aber auf die Dauer konnte er Dänemark dadurch keine Ruhe schaffen. So mußte der König denn den Forderungen des Löwen endlich nachgeben. An der Eider kamen beide Herren 1171 wieder zusammen, und hier an der Grenze von Dänemark und Holstein wurde über Rügen verhandelt. Waldemar teilte mit dem Herzog die empfangenen Geiseln und den Swantewitschatz, ferner trat er ihm die Hälfte des jährlichen rügenschen Tributes ab. Fortan schickte Heinrich der Löwe zum Empfange desselben seine eigenen Komissare nach Rügen, und tatsächlich war unsere Insel jetzt zwei Herren zugleich unterthänig, dem Dänenkönig und dem Sachsenherzog. Auch in kirchlicher Beziehung ward Rügen durch den damaligen Papst Alexander III. zwei Herren zuerteilt. Sofort nach der Eroberung hatte nämlich Waldemar in Rom die Einverleibung der Insel in den Sprengel des Bistums Roeskilde erwirkt; allein der Papst war so vorsichtig gewesen, in der Urkunde zu bemerken, daß dies geschehen solle unbeschadet etwaiger Ansprüche von anderer Seite. Nun hatte aber auch der Bischof Berno von Schwerin an der letzten Expedition gegen Rügen teilgenommen. Zwar hatte Absalom ihm nicht viel Spielraum für seine Wirksamkeit gelassen, allein Berno wußte doch in Rom seine Ansprüche geltend zu machen. In Hinblick auf ihn war jene Klausel beigefügt, und in einer Bestätigingsbulle für den Schweriner Bischof (1177) heißt es ausdrücklich, daß die Insel Rügen zur Hälfte zum Schweriner Sprengel gehören solle, ebenso wie das ganze heutige Neuvorpommern. Wo die Grenze ging, ist nicht zu sagen, es übten fortan aber auch zwei geistliche Herren auf Rügen ihre Gewalt aus. So hatte denn jeder, der an der Eroberung Rügens Beteiligten wenigstens einigen Vorteil von seiner Bemühung.  Nur die Pommernfürsten gingen ganz leer aus. Heinrich der Löwe kümmerte sich nicht weiter um sie, nachdem er mit Waldemar sich ausgelöhnt hatte. Mochten sie selber sehen, wie sie mit den Dänen fertig wurden, die, im Grunde genommen Heinrich ihnen ins Land gesetzt hatte. Sie wenden sich denn gegen den jetzigen dänischen Vasallen Jaromar, den Fürsten von Rügen, und sollen Arkona und Karenza erobert und völlig zerstört haben. Bei einem anderen Kriegszuge sollen sie den Fürsten auf seiner festen Burg auf dem Rugard eingeschlossen und einen Waffenstillstand erzwungen haben. Niemals aber gelang es ihnen die Insel für sich zu erobern, wie sie so gerne wollen, immer kam der Däne herüber, ihm waren sie für die Dauer nicht gewachsen. Im Laufe dieser fortwährenden Kämpfe verloren die Herzöge den nordwestlichen Teil ihres Landes, ihn schenkte Waldemar seinem treuen Vasallen Jaromar. Sein Fürstentum umfaßte daher außer der Insel den festländischen Distrikt Pommern bis zur Peene. Erst nach 50jährigem Kampfe eroberten die Pommern ein Stück davon wieder, sodaß fortan der Ryckfluß die Grenze zwischen Pommern und dem Fürstentum Rügen bildete. Der sonderbare Zustand einer geteilten Zinspflicht sollte für Rügen aber nicht lange dauern. Heinrich der Löwe, bekanntlich der Urheber seines eigenen Unglücks, wurde vom Kaiser Friedrich Barbarossa in die Acht gethan und seiner Macht beraubt. 1181 stand Barbarossa vor Lübeck, der letzten Stadt, die Heinrich geblieben war. Hier traf Barbarossa mit Waldemar zusammen, hierher hatte er auch die Pommernfürsten beschieden. Sie wurden in den Reichsverband aufgenommen und mit dem Herzogstitel beschenkt. Es schien, als wolle Barbarossa die Rolle Heinrichs des Löwen hier an der Ostsee übernehmen und dessen Machtansprüche für sich geltend machen und erweitern. Auch Jaromar, der Fürst von Rügen, war vor Lübeck erschienen im Gefolge Waldemars. Heimlich vor den Dänen suchte der Kaiser ihn von den Dänen abzulocken, er versprach ihm sogar den verlorenen Königstitel wieder. Aber Jaromar blieb fest. Politisch klüger als die pommerschen Herzöge sah er den einzigen Vorteil für sein Rügen im Anschluß an die Macht, die hier an der Ostsee thatsächlich gebot. Wie richtig er gehandelt hatte, zeigte sich nach einiger Zeit. Im Jahre 1182 nämlich ging der Eroberer Rügens, Waldemar I. zur ewigen Ruhe ein. Sein Sohn Knud VI. , der ihm auf den Thron folgte, verweigerte dem deutschen Kaiser den Huldigungseid. Dänemark galt bekanntlich damals als Vasallenstaat des deutschen Reiches, und Waldemar hatte in richtiger Erkenntnis seiner Schwäche zu Beginn seiner Regierung den Huldigungseid geleistet. Das war aber Absalon von jeher ein Dorn im Auge gewesen, und sein Werk war es, das Knud sich jetzt renitent zeigte. Barbarossa, der wie alle Hohenstaufen keine Zeit und kein Interesse für den Norden hatte, jedoch die Verweigerung schuldigen Ehrerweisung nicht ungestraft hingehen lassen konnte, betraute er den Pommernherzog Bogislaw mit der Strafvollstreckung an Dänemark. Große Hilfe wurde diesem versprochen, um ihn zum Kampfe anzufeuern; aber als Bogislaw nun eine große Flotte zum Angriff auf Dänemark zusammen hatte, blieb im entscheidenden Moment der Zuzug von Seiten des Kaisers aus.  So mußte der Pommernherzog den Kampf allein beginnen. Jaromar war inzwischen wachsam gewesen. Er wußte wohl, daß der erste Angriff der Pommern gegen sein Rügen gerichtet sein werde, und seine Boten flogen nach Dänemark, um Hilfe zu holen, als jetzt die pommersche Flotte in den Greifswalder Bodden segelte, und sich bei der Insel Koos vor Anker legte. Inzwischen bewachte er mit seinen Truppen die Südküste Rügens, er fürchtete jeden Augenblick eine Landung, die, wie das Gerücht ging, Bogislaw gegenüber der Insel Strela beabsichtigte. Da kam Absalom mit einer dänischen Flottenabteilung hinüber, legte sich zunächst in der Nähe Strelas auf die Lauer, segelte dann, als die Pommern sich immer noch nicht zeigten, nach dem Drigge und ging hier an Land, um Gottesdienst abzuhalten, den es war Pfingstmorgen des Jahres 1184. Da schickt ihm Jaromar Nachricht, daß die pommersche Flotte herannahe. Ein dichter Nebel hüllte die Gegend ein, und verbarg Absalon die Nähe des Feindes. Sogleich vertauschte er den Priesterrock mit der Feldherrnrüstung, ließ die Schiffe bemannen und ruderte mit den rügenschen Schiffen vereint den Pommern entgegen. Diese sehen durch den Nebel die verschwommenen Umriße von Schiffen herankommen und meinen, es seien ihre Freunde, die erwarteten Mecklenburger, nicht denkend, daß Absalon so schnell könne herbeigeflogen sein. Da verschwindet der Nebel, Dänen und Rüganer erheben ihr Schlachtgeschrei und fallen über die nichts ahnenden Pommern her. Ungeheure Verwirrung greift hier Platz. Ihre schweren Schlachtschiffe lassen sich in der Eile nicht von der Stelle bringen, die Besatzung springt ins Wasser um sich durch Schwimmen zu retten. Achtzehn Boote, vollgepfropft mit Flüchtlingen, bersten auseinander, ihre Mannschaft findet in den Wellen ihr Grab. Hundert Schiffen gelingt es, die Nähe der Küste zu erreichen, die Besatzung springt an Land und sucht in den Wäldern Zuflucht. Auf 35 Schiffen befand sich der pommersche Adel nebst Herzog, auch sie wurden von der allgemeinen Flucht mitgerissen. Als sie aber sahen, daß Absalon und Jaromar mit nur sieben Schiffen hinter ihnen herwaren, schämten sie sich und wollten ihre Ehre retten. Doch sie wurden wieder in die Flucht gejagt. Um nicht in Gefangenschaft zu geraten, werfen sie Pferde und Waffen über Bord, die Schiffe zu erleichtern und rudern mit rasender Eile den Bodden entlang und in die Mündung der Peene hinein. Sie allein entkamen von der ganzen Flotte, die sich auf ungefähr 500 Schiffe belaufen haben soll, alle anderen fielen den Dänen und Rüganern in die Hände. Das war die große Seeschlacht im Greifswalder Bodden 1184, ungefähr an der Stelle, wo heute die Stahlbroder Fähre liegt. Hier wurde die pommersche Seemacht für immer gebrochen durch dänische und rügensche Tapferkeit. Ein Jahr später beugte der vom Kaiser so schmählich im Stich gelassene Herzog sein Knie vor dem Dänenkönig Knud, der in Begleitung Absalons und Jaromars Kammin belagerte. Pommern ward Dänemark zinspflichtig, Jaromar aber erhielt hierauf den oben erwähnten Teil des Herzogtums Pommern als Lohn seiner Treue. Auf diese Zeit der Kriegsstürme folgte für Rügen eine Zeit der Ruhe, die der Insel um so notwendiger war, als sie sich ja erst in neue Verhältnisse einleben sollte. Daß dies so leicht ging ist der Verdienst des Fürsten Jaromar. Er, der mit klarer Erkenntnis von dessen Vorzüglichkeit den neuen Glauben ergriffen hatte, wußte dem selben auch bei seinen Landsleuten schnell und gründlich Eingang zu verschaffen. So kam es, daß auf Rügen niemals ein Rückfall ins Heidentum stattfand, obgleich es als letztes der Ostseeländer dem Christentume gewonnen wurde. Dem Jaromar aber brachten seine Begeisterung und geistlichen Erfolge den Ehrennamen eines nordischen Paulus ein. Zwölf  Kirchen sollen zu seiner Zeit auf Rügen entstanden sein, darunter sicher die zu Altenkirchen und zu Bergen. Um aber auch in anderen Glaubenswerken nicht zurückzubleiben, gründete Jaromar auf der Insel Rügen das erste Kloster. In der Wildnis, die damals die Höhen bedeckte, auf welchen heute die Stadt Bergen liegt, wurde dies, ein Zistercienser-Nonnekloster, 1193 angelegt. Die Stiftungsurkunde in lateinischer Sprache ist noch heute erhalten. Wir wollen einiges daraus anführen, da man daraus ersehen kann, wie tief schon Jaromar in den Geist des Christentums eingedrungen war:  "Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Ich, Jaromar, Fürst der Rüganer, wünsche allen treuen Christen, welche diese Zeilen lesen, ewiges Heil im Herrn. Des allmächtigen Gottes Erbarmen entriß uns gnädiglich dem Götzendienste, dem unsere unglücklichen Eltern noch anhingen, brachte uns zum wahren katholischen Glauben und förderte uns in den Segnungen seiner Gnade. Für soviele Gaben seinerseits wollen wir nicht undankbar sein, seinen Gnadenerweisen entsprechen, soviel wir können. Indem wir daher den Dienst seines Namens erweitern und sehr viele zu seiner Verehrung aufrufen möchten, haben wir zu seiner Verehrung nahe bei dem Schloß (Rugard) ein Kloster erbaut und der ruhmreichen Jungfrau Maria durch die Hände des ehr- und gottwürdigen Bischoffs Peter weihen lassen." ( Dieser Peter war ein Verwandter von Absalon und folgte diesem auf den Bischofssitz von Roeskilde 1191). Jetzt folgt die Bestimmung, daß das Kloster mit Nonnen aus dem Roeskilder Marienstift besetzt und mit reichen Einkünften versehen ist, und zwar:  "...in der Absicht, daß sie (die Nonnen) Gott und der heiligen Mutter des Herrn ergeben seien und durch ihr fleißiges Gebet uns deren Segen erwerben, damit der Herr, durch ihr Gebet versöhnt, uns sowohl die Vergebung der Sünden als den Ruhm des ewigen Lebens gewähre..." Nun werden die Güter aufgezählt, die dem Kloster vermacht sind, unter anderem auch eins auf Wittow, mit samt eines Eichenwalde. Ausgefertigt ist der Schenkungsbrief im Jahre 1193 auf dem Schlosse Rugard oder im Kloster selbst. Unter den Zeugen befinden sich Jaromars Söhne Barnutha und Witzlaw, sowie sein Bruder Stoislaw, welcher der Ahnherr des Fürstentums zu Putbus gewesen sei soll. Auffallend ist es, daß sich im eigenen Lande keine Nonnen zur Besiedlung des Klosters vorfanden, sondern, da´diese erst aus Dänemark verschrieben werden mußten. Das beweißt uns wohl, daß die Rüganer dieser weltflüchtenden Seite des Christentums bei all ihrem Eifer doch keinen Geschmack abgewinnen können. Auch in seinem festländischen Fürstentum hat Jaromar in späteren Jahren ein Kloster angelegt, im dichten Walde am Ryckfluß das Kloster Eldena 1207. Und wie später das Marienkloster auf dem Rugard Veranlassung zur Erbauung der Stadt Bergen gegeben hat, so ging von Eldena die Gründung der Stadt Greifswald aus; beide Städte haben also in Jaromar ihren Ahnherren.Wir kommen hiermit auf eine andere Thätigkeit dieses originellen rügenschen Fürsten. Jaromar muß ein wahrer Umsturzmann gewesen sein. Wo immer er Neues fand, daß er als gut erkannte, führte er es in seinem Rügenlande mit glühendem Eifer ein, und was immer ihm unhaltbar schien in den alten Zuständen, das schnitt er ab, ohne langes Zaudern. So haben wir ihn verfahren sehen bei der Eroberung der Insel und Gründung des Christentums, nach diesem Muster handelte er auch bei der Einführung einer neuen Kultur. Mit der definitiven Unterwerfung der Insel mußte der eine seitherige Erwerbszweig, die Seeräuberei, gänzlich aufhören, die Rüganer mußten an energischere Kultur des Bodens gewöhnt, neue Erwerbszweige geschaffen werden, so vor allem der Handel. Aber den Slawen fehlte die Anleitung und vor allem die Ausdauer. Zudem waren, besonders im festländischen Rügen, große Strecken Landes durch die vielen Kriege entvölkert. Da mußten neue Kräfte von außen ins Land kommen, wenn anders das rügensche Volk an den Segnungen einer neuen Kultur, wie alle Christenvölker sie hatten, teil haben sollte. Das Nächstliegende für Jaromar wäre gewesen, diese neuen Kräfte aus Dänemark zu holen. Zwar waren sie da zu haben für das internationale Mönchstum, wie wir oben gesehen haben; der dänische Bauer und Edle aber, der eine Heimat besaß, hatte keinen Geschmack am Kolonisieren. So mußte Jaromar dorthin seine Blicke richten, von wo andere slawische Länder, wie Pommern und Mecklenburg, ihre Kolonisten herbezogen, nach Deutschland. Von hier wußte er bald den Strom der Auswanderung in sein Fürstentum Rügen zu lenken, und so ist Jaromar es zu verdanken, das Rügen, trotzdem es ein dänisches Leben war und Jahrhunderte lang blieb, dennoch ein durchaus deutsches Land in Gesittung und Sprache wurde und geblieben ist. Ganz allmählich natürlich ging dieser Umwandlungsprozess Rügens aus einem slavischen in ein deutsches Land vor sich, aber es ist ein Beweis von der Fähigkeit des Germanentums und seiner Überlegenheit über das Slaventum auf Rügen, daß schon nach 2 Jahrhunderten das letztere spurlos von der Insel verschwunden ist; Kantzow erwähnt, daß 1404 die letzte alte Frau, die noch mit ihrem Mann wendisch gesprochen hatte, Gulitzin geheißen, auf Jasmund gestorben sei. Auch mit der Gründung deutscher Städte machte Jaromar auf Rügen den Anfang. Die alten Ranen hatten seine Städte im Stile der Deutschen. Sie wohnten in Gehöften und einzeln stehenden Häusern, Kriegsnot trieb sie in die Burgwälle zusammen, die in Friedenszeiten außer den Tempeldienern seine Bewohner hatten. Das wurde jetzt anders. Die ersten Deutschen siedelten sich bei der alten Residenz der rügenschen Fürsten, bei Karenza, an. Zwei kleine deutsche Gemeinden erblühten hier, die eine nannte sich Rügendahl, die andere germanisierte das slavische Karenz in Garz. Erstere wurde später mit Garz vereinigt, und die ganze Ansiedlung erhielt um 1310 als erste rügensche Stadt städtische Verfassung vom Fürsten Witzlaw III. Auch in der Nähe der anderen Residenz der rügenschen Fürsten, auf dem Rugard beim Marienkloster, ließen sich einige Deutsche schon ziemlich früh zu Jaromars Zeiten nieder. Allein erst sehr langsam wuchs hier ein Städtchen heran, das von seiner Lage in den Bergen den Namen Berghe oder was dasselbe auf slavisch: Göra oder Gora führte. Widrige Schicksale hinderten zudem die Entwicklung, 1445 brannte das Kloster samt Kirche und dem größten Teile der ganzen Ortschaft nieder. Erst 300 Jahre später als Garz erlangte Bergen endlich 1614 vom pommerschen Herzog Philipp Julius städtische Verfassung, aber auch so sehr ungünstiger Zeit, denn der 30 jährige Krieg stand vor der Thür, und Bergen hatte vorerst nur Nachteile von dem neuen Privilegium. Noch weniger vorwärts wollte es mit anderen rügenschen Ortschaften gehen, in denen auch Deutsche in größerer Anzahl sich ansiedelten, wie mit Gingst und Sagard; sie kamen nie über die Bedeutung eines Marktfleckens hinaus. Um so großartigeren Erfolg aber hatte Jaromar mit der Gründung einer anderen Stadt, die er auf dem festländischen Teile seines Fürstentums, der Insel Strela gegenüber, anlegte, und die vermöge ihrer günstigen Lage bald alle Nachbarschwestern auf Rügen weit überflügeln sollte, indem sie alle Kräfte an sich zog. Es war nach der Überlieferung im Jahre1209, als Jaromar mit Genehmigung seines Lehnsherrn Waldemar II. von Dänemark den Grund zu der später so stolzen und mächtigen Hansestadt Stralsund in seinem festländischen Fürstentum Rügen legte. Ihren Namen bekam diese Gründung von der Insel Strela, die wir ja öfters in der Geschichte erwähnt haben, dem jetzigen Dänholm, und von dem Sund, wie man den Meeresarm kurzweg nannte, der hier Pommern und Rügen trennt. Danach hieß die Stadt zu Anfang und lange nachher: die Stadt zum Strelasunde, oder blos: zum Sunde, oder auch öfter: der Sund, später wurde dann der Name Strelasund oder Stralsund üblich. Die slavische Bevölkerung dagegen nannte sie Stralow. Ihre ersten Bewohner waren zumeist niedersächsische Einwanderer, Handwerker und Kaufleute. Freilich hatte Jaromar auch hiermit zuerst Unglück. Die Pommern, welche die Wiedereroberung dieses Landstriches immer noch erhofften, sie aber für unmöglich hielten, wenn erst eine starke rügensche Stadt dort erblüht sei, überfielen plötzlich die erste Anlage 1210. Jaromar hatte eine halbfertige Kirche in der Stadt stark verschanzen lassen, dorthin flüchteten sich die Stralsunder samt ihrem Fürsten, als es den Pommern gelungen war, die übrige Stadt zu erobern und zu zerstören. Denn die junge Pflanzung war erst schwach befestigt und noch nicht von schützenden Teichen umgeben. Diese sind in ihrer jetzigen Ausdehnung erst eine spätere künstliche Anlage, indem sie bei der Stadt in den Sund fließenden Gewässer künstlich gestaut wurden. Das befestigte Kastell inmitten des Ortes konnten die Pommern jedoch nicht einnehmen, alle Stürme wurden tapfer abgeschlagen. Der Fürst hatte schon um Hilfe nach Dänemark geschickt, und so zogen denn die Sieger aus Furcht vor den Dänen wieder ab. Waldemar II. erschien zur Rache und besiegte die Pommern. Jaromar konnte seine neue Pflanzung wieder aus den Trümmern entstehen sehen, und bald erblühte Stralsund trotz mannigfacher Unfälle zu nie geahnter Größe, ein Edelstein im Kranze der rügensch-pommerschen Städte, aber auch öfter ein Stein des Anstoßes für Rügens Fürsten. wir haben hiermit den ersten Fürsten Rügens durch seine Regierungszeit hindurch geleitet. Er starb wahrscheinlich 1218. Wenn ein Regent, der durchgreifende Neuerungen zum Wohle seines Landes mit Entschiedenheit und Erfolg ein-und durchführt, den Namen des Großen verdient, so dürfen wir J a r o m a r  I.  d e n  G r o ß e n  nennen. Mit ihm beginnt eine neue Epoche für Rügen; sein klarer Geist war es, der die neuen Verhältnisse, die über Rügen kommen mußten, zum Segen der Insel zu gestalten wußte. Mit Feuereifer ergriff er die neuen Ideen. Er, der in seiner Jugend noch dem Swantewit Opfer dargebracht hatte, verstand später, wie wir besonders aus dem Stiftungsbrief sehen, im Geiste des mittelalterlichen Christentums zu denken und zu handeln, als habe er nie etwas anderes gekannt. Die Kulturaufgaben für sein Land erkannte er klar, und mit Entschiedenheit und allen Mitteln sorgte er dafür, daß deutsche Bodenkultur und Industrie auf Rügen heimisch wurden. Hat man Recht, ihn deshalb zu verdammen und zu behaupten, er sei herzlos gegen seinen Volksstamm gewesen? Nein! Wenn das rügensche Slaventum dabei zugrunde ging, so war das nicht sein Verschulden, sondern eine nationale Inseriorität; er wollte nur das Beste. In politischer Beziehung müssen wir ebenfalls seinen durchdringenden Blick bewundern; nichts brachte ihn von dem als richtig erkannten Wege ab. Und das war ein Glück für ihn und sein Land. Hätte er den Dänen die Treue gebrochen, so wäre von jener Seite ein harter Druck auf Rügen nicht ausgeblieben. So blieb er fast sein eigener Herr, ordnete im Lande an, wie ihm beliebte, gründete Städte nach seinem Gutdünken und hatte Feinden gegenüber immer den unendlichen Vorteil, an Dänemark einen sicheren Rückhalt zu besitzen. Dafür war die Gefolgschaft kein zu schwerer Gegendienst, zumal er auch daraus noch Vorteil zog. Alles in allem: an der Schwelle der neuen Geschichte Rügens empfängt uns ein großer Mann, der, ein tüchtiger Steuermann, geschickt und sicher das Staatsschiff Rügens aus den Klippen der heidnischen Zeiten in den Hafen der abendländischen Kultur hineinzubringen weiß. Die Wege, die Jaromar vorgezeichnet hatte, wandeln seine Nachfolger. Wir sehen seinen Sohn Witzlaw I. (1218-1249) deutschen Handel und Gewerbefleiß eifrig fördern. Seiner Stadt Stralow bezeugte er dieselbe Geneigtheit, wie sein Vater. Er verlieh ihr 1234 das Lübische Recht. Dadurch gewann Stralsund die Grundlage, aus der sich die freie Entwicklung deutschen Bürgertums aufbauen konnte, denn Selbständigkeit der Verwaltung und der Rechtspflege war die Folge dieses Privilegiums. Dann erweiterte er das Stadtgebiet und die Fischereigerechtigkeit, die er den Stralsundern von Hiddensöe und Ummanz bis nach Devin hin frei zugestand, und räumte ihnen noch andere Vergünstigungen ein, wie Zollfreiheit im Gebiet seines Fürstentums und die freie Benutzung fürstlicher Wälder zum Holzschlagen. Alles das bewilligte er, weil er den Nutzen für sein Land zu schätzen wußte, den der Handel einer ungehindert sich entwickelnden Stadt ihm brachte. In gleicher Erkenntnis gestand er auch den Lübeckern Vorteile zu, um auch ihren Handel nach Rügen zu locken. Er garantiert ihnen für Sicherheit, hob den Brauch des Strandrechts auf Rügen für sie auf, erlaubte ihnen, Holz nach Bedarf in seinen fürstlichen Waldungen zu fällen und setzte Zölle und Abgaben für sie fest um sie vor Willkürlichkeiten zu schützen. Aber duch diese gutgemeinten Vergünstigungen gab er die Veranlassung zu einem großen Unglück für seine eigne Stadt Stralsund. Die Stralsunder sahen nämlich mit neidischen Blicken dem Aufschwung des Lübecker Handels zu und fürchteten die Schädigung des eignen. Eifersüchteleien, Zank und Streit zwischen beiden Städten war die Folge, und das spitzte sich schließlich derart zu, daß die Lübecker beschlossen, der jungen Rivalin am Sunde den Garaus zu machen. Im Jahre1249 überfielen sie das nichts ahnende Stralsund, plünderten und zerstörten die Stadt, soweit es in der Eile ging, und führten die reichsten Bürger gefangen nach Lübeck fort. Zwar erholte sich Stralsund mit des rügenschen Fürsten Hilfe wieder von dem Schlage, aber vier Jahre lange Kämpfe waren die Folge. Witzlaw und sein Nachfolger Jaromar II. haben alle Privilegien der Lübecker auf Rügen auf, ließen ihre Schiffe kapern, wo es anging, aber auch Stralsunds Handel litt. Bis dann endlich die Lübecker ein Schmerzensgeld zahlten, und die Sache beigelegt wurde, nachdem beide Parteien durch Schaden klug genug geworden waren. Witzlaws I. Verhältnis zu Dänemark zwang ihm aber auch das Schwert in die Hand, und er sollte den Ruhm rügenscher Tapferkeit in den fernsten Osten des baltischen Meeres bringen. Als Waldemar II. nämlich 1219 einen Kreuzzug gegen Esthland unternahm, begleitete Witzlaw I. ihn mit einem rügenschen Heere. Die Esthen unterwarfen sich anscheinend. Am dritten Tage aber nach dem Friedensschluß überfielen sie plötzlich die nichts Böses ahnenden Dänen bei Reval und jagten das ganze Kreuzheer in wilde Flucht. Witzlaw lag mit seinen Rüganern auf einem Hügel, von wo aus er die Situation übersehen konnte. Sogleich eilte er dem Dänenkönig zu Hilfe und nahm den Kampf mit den Esthen auf. Da konnte das fliehende Heer sich sammeln, wandte sich und warf nun mit den Rüganern zusammen den Feind zurück. So wurden die Rüganer die Retter der Dänen. Gleichen Kriegsrum erwarb sich Witzlaws Sohn und Nachfolger J a r o m a r  II. (1249-1260), indem er in die inneren dänischen Wirren hineingezogen wurde. König Christoph I. von Dänemark nämlich kam in Streit mit seinem Erzbischof  von Lund, der die Bischöfe von Roeskilde und Schleswig weihte, ohne dem König die schuldige Anzeige zu machen. Der Konflikt steigerte sich derartig, daß Christoph den Oberhirten gefangen nehmen ließ. Der Bischof von Roeskilde, Peter Bang, der auch an die Reihe sollte, entfloh nach Rügen, das ja zu seiner Diözese gehörte. Hier wohnte er in Schaprode, von hier aus verfügte er das Interdikt gegen Dänemark. Der Papst war natürlich auf der Seite seiner Leute. In der Bannbulle, die er gegen den König schleuderte, fordert er "den geliebten Sohn, den edlen Fürsten der Rüganer" auf, sich der Geistlichen anzunehmen. Jaromar II übernahn die Vollstreckung der Acht. Er war mit Peter verwandt, und dann mochte er hoffen, auf diese Weise der Vasallenschaft ledig zu werden. Er landete auf Seeland mit dem Bischof. Und als die Königin-Witwe nun an Stelle ihres meuchlings ermordeten Gemahls die treuen Bauern Seelands zum Kampfe heranführte, schlug Jaromar dies her nach furchtbar blutigem Kampfe in die Flucht. Plünderung, Mord und Brand verbreitete der Sieger darauf über das unglückliche Land, nahm Kopenhagen, setzte Peter wieder ins Bistum ein und segelte dann nach Bornholm, welche Insel Christoph dem Erzbischof entrissen hatte, um auch dies zurückzuerobern. Hier aber fand Jaromar durch den Dolch eines Weibes seinen Tod. Sein wildes Kaufen in Dänemark aber blieb noch lange Zeit in schmerzlicher Erinnerung. Und wenn später einmal auf Rügen dänischen Bettlern oder Pilgern ein Almosen gereicht wurde mit dem Bemerken: um der Seligkeit des Fürsten Jaromar willen, so soll keiner die Gabe genommen haben. Auch sonst noch hat dieser Jaromar II. seine Vorliebe für die Kahlköpfe bethätigt. Die Bettelmönche, Dominikaner und Franziskaner, kamen zu seiner Zeit ins rügensche Fürstentum. Er baute in Stralsund den Dominikanern, die "die man schwarze münniche daselbst genennet", ein Kloster, das jetzige Gymnasium und Waisenhaus, und ebenso den Franziskanern, "welche sie grawe (graue) münniche nenneten", einen Teil des jetzigen St. Johannisklosters. Auch in seiner Stadt Barth wollte er diese "heiligen lewte" ansiedeln. Aber die Barther waren nicht so lammfromm wie die Sundischen und widersetzten sich den Segnungen dieser "betlermünniche" sehr energisch und zwar aus den ökonomischen Gründen: "Daß sie wohl wüßten, wo die münniche recht einnistelten, daß sie doselbst pflegten gemeiniglich alle gütter und einkhomen der Stat bey sich zu bringen." Die Barther müssen also mit den "münnichen" schon sehr trübe Erfahrungen gemacht haben. Jaromar ward ob solchen Mangels an Frömmigkeit und wegen des renitenten Wesens "scheldig" und wollte der guten Stadt den Segen mit Gewalt aufdringen. Aber die Stadt "beriss sich vor die lantschafft zur erkenntnüß", und da "brachten die von Bart jr antwort widder für, und nachdem lantschafft des Fürsten fürhaben für christlich ansahen, und doch der von Bart gegenrede auch nicht unbilligen khonten, wollten sie sich zu keinen richtern machen, wie es auch ohne das jnen nicht gebürete." Der Landtag wagte also trotz besserer "Erkenntnüß" den Fürsten nicht auch noch auf sich "scheldig" zu machen; aber die Barther, die ihre Existenz gefährdet wähnten, hatten Mut und setzten ihren Kopf durch, sodaß schließlich "der Fürst von dem Kloster bawen abstundt." Jaromas Sohn und Nachfolger Witzlaw II. (1260 bis 1303) artete durchaus den Traditionen seines Hauses nach. Waffenruhm erwarb er sich in Livland, wo er dem deutschen Orden half. Seine Fürsorge für das Gedeihen seiner Städte, angeregt durch die viele Ebbe in seinen Kassen, war großartig. Stralsund verdankt ihm unendlich viel, ihm gab er unter anderm 1290 das Privilegium, daß seine Bürger ihm und deinen Erben nie und nirgends Kriegsdienste außerhalb ihrer Mauern leisten brauchten, ferner das wichtige Recht de non evocando, wodurch die Stralsunder ihre vollständige eigne Gerichtsbarkeit erlangten. Die Stadtgrenzen und die Fischerei erweiterte er ansehnlich. Freilich, all das geschah wohl gegen klingende Münze als Gegenleistung, aber der Stadt kam es doch zugute. In geistlicher Beziehung war er geradezu verschwenderisch. Sie ganze Insel Hiddensöe schenkte er dem Zisterzienserkloster Neu-Kamp bei Barth (das Witzlaw I. gegründet), und half dem Abt das Kloster dort erbauen (1297) von dem jetzt ja noch einige Überreste stehen und das Gut im Norden stand dichtes, hohes Dorngestrüpp, wonach  die Schiffer in jener Zeit die ganze Insel "Dornbusch" nannten. Auch dieser Name hat sich ja für einen Punkt im Norden erhalten, wenngleich Eichenwälder und Dornbüsche verschwunden sind. Dafür sorgten zum Teil die Zisterziensermönche des Klosters, die das Land urbar machten, doch blieb noch Wald genug bestehen, denn in einer Urkunde aus 1297 wird einem Andreas Erlandson zu Schaprode sein Privilegium vom Kloster bestätigt, daß er nach Bedarf auf Hiddensöe Holz fällen und seine Schweine in die Eichenwälder zur Mast treiben dürfe. Erst der 30 jährige Krieg hat hier gründlich aufgeräumt. Der südliche Teil der Insel hieß im 13. Jahrhundert Iellant oder Gellen, ein sklavisches Wort, das der Hirsch bedeutet; auch das ist ein Beweis für das Vorhandensein von Wald. In diesem Walde stand schon in Zeiten vor dem Klosterbau eine Kapelle des heiligen Nikolaus, des Schutzpatrons der Fischer und Schiffer. Sie wurde von Einsiedlern bedient, die den Schiffbrüchigen hilfreich beisprangen, denn Schiffsunfälle waren hier bei der Enge und Flachheit des Wassers nicht selten. Und als die Kapelle einging, erbauten die Stralsunder an ihrer Stelle einen Leuchtthurm, worauf von September bis Mai nachts Feuer brannten. Die Mönche von Hiddensöe übernahmen die Verpflichtungen, dies Leuchtfeuer zu unterhalten. Jede Spur dieses ersten Leuchtturms auf dem Gellen Hiddensöes ist mit den Eichenwäldern verschwunden, der Name des Gellen aber wurde auf das dortige Gewässer übertragen und ist noch heute in Gebrauch für die Meerenge von Hiddensoe an bis in den Greifswalder Bodden. Auch ein Bischof ist aus dem rügenschen Fürstenstamm hervorgegangen. Witzlaws II. Bruder Jaromar war Bischof von Kammin in Pommren (gest.1299). Er war ein sehr beliebter Seelsorger und von seiner originellen Art, mit den Leuten umzugehen, hat Kantzow ein Beispiel aufbewahrt. Er wurde einmal zu der Gräfin von Gützkow, Zorislaffa, geborene von Putbus, gerufen, "seiner Muhme, die da krank lag und jr deuchte, wie der teuffel vor jr stünde, und sie wollte wegkholen; so gebrauchte Jaromar die fabel von der mutter, die das kind dem wulffe wollte geben, das der wulff hörete und meinte wahr, und wartete darauff, aber kriegte nichts davon; und sagte, also möchte unser her got sich auch wohl stellen, als wollte er sie dem teuffel übergeben und der teuffel mochte wohl darauf harren, aber jme würde nichts werden, sie were gottes kint; und hat sie so aus dem wahne gebracht." Witzlaw III. (1303-1325), des vorigen Witzlaw Sohnes Regierungsanfang wurde von einem außerordentlichen Naturereignis begleitet. Im Jahre 1304 wütete an Rügens und Pommerns Küsten ein gewaltiger Orkan aus Nordost. Er warf viele Kirchtürme und Häuser nieder. Damals noch erstreckte sich Mönchgut nach Süden bis fast an den Ruden; zwischen beiden ging ein so schmaler Strom hindurch, daß "ein Mann hinüberspringen konnte." Hier bahnte der furchtbare Nordoststrom dem Meere eine neue Straße, indem von Mönchgut der ganze Streifen bis zum Vorgebirge Thiessow fortgegriffen wurde. Die neu entstandene Fahrstraße nannte man das "neue Tief." Sie kam den Stralsundern recht zustatten, denn bis dahin hatten größere Schiffe nur von Norden her in ihren Hafen kommen können, jetzt war auch nach Südosten hin eine Durchfahrt geschaffen. Noch ein Naturereignis erzählen die Chroniken aus Witzlaws III. Zeit. Fast 20 Jahre später, als das eben erwähnte stattfand, 1323, herrschte an der Ostsee ein so starker Winter, daß die See zwischen Dänemark und Rügen mit starkem Eise belegt war. Die Leute gingen die Strecke von 8 Meilen von Rügen nach Dänemark hinüber und umgekehrt, Hütten waren auf dem Eise errichtet, in denen man Lebensmittel und Getränke kaufen konnte. Zehn Wochen hat diese Passage benutzt werden können. Gleichsam angekündigt durch den Sturm im Anfang seiner Regierung wurde der gewaltige Krieg, in den Witzlaw III. mit der Stadt Stralsund verwickelt wurde. Der Fürst stand schon längere Zeit hindurch mit Stralsund wegen der Privilegien der Stadt in gespanntem Verhältnis, oft nannte er es "eine böse wehne in seinem lande". Er, als einziger aller rügenschen Fürsten, verließ im Anfange seiner Regierung die kluge Politik seiner Vorgänger, die sie in bezug auf diese blühende Stadt befolgt hatten. Er wollte das dem väterlichen Machtspruch fast ganz entwachsene Kind wieder in seine Gewalt zwingen, aber an dem trotzigen und entschlossenen Freiheitssinn und Mut der erstarkten Bürger scheiterten die reaktionären Gelüste des Fürsten. Empört über den Starrsinn, mit dem man in Stralsund an verbürgten guten Rechten festhielt, wandte Witzlaw III. sich an seinen Lehnsherrn König Erich Menved von Dänemark. Der war sein Mann. Hatte doch dieser König keine geringere Absicht als die, die ganze deutsche Ostseeküste seinem Reiche einzuverleiben, und war doch der deutsche Kaiser Albrecht I. , Rudolfs von Habsburg Sohn, pflichtvergessen genug, ihm dieses zuzugestehen. Stralsund und Rügen sollten es sein, die diese Länder im Norden für Deutschland retteten. Als Haupthindernis seiner Danisierungspläne erkannte König Erich die mächtigen deutschen Städte hier im Norden. Lübeck, Wismar, Rostock,Stralsund und Greifswald hatten sich seit 1293 zu einem Schutz-und Trutzbündnis zusammengethan und bildeten so eine starke Phalanz.Aber es gelang Erich, Lübeck auf diplomatischem Wege an sich zu fesseln, Wismar und Rostock zwang er mit Waffengewalt unter seine Krone. Greifswald mit seinem Herzog von Pommern zog sich scheu vom Kampfe zurück, so blieb Stralsund allein übrig, und leichten Kaufes glaubte man auch damit fertig zu werden und den Trotz der freien deutschen Bürger zu brechen. Denn eine große Koalition hatte König Erich, wie vorher gegen Rostock und Wismar, so auch gegen Stralsund zustande gebracht. Fast alle norddeutschen Fürsten beteiligten sich daran, Herzog Erich von Sachsen, Fürst Heinrich von Mecklenburg, Graf Gerhard von Holstein und Fürst Witzlaw III. von Rügen. Nur ein Fürst machte eine rühmliche Ausnahme, es war der Markgraf Waldemar von Brandenburg.Er, einst auch ein Freund des Dänenkönigs, hatte bald dessen verderbliche Pläne durchschaut und zog das Schwert jetzt für die deutsche Sache. Sie stellten sich, kühn entschlossen, unter seinen Schutz, da sie dänisch nicht werden wollten. Freilich, auch so war das Machtverhältnis der kriegführenden Parteien noch ein sehr ungleiches, da kam den Stralsundern noch ein unerwarteter Bundesgenosse.   Fürst Witzllaw III. hatte nämlich 1310 mit König Erich zu Ribnitz einen Vertrag geschlossen, daß, falls sein Haus ausstürbe, das Fürstentum Rügen dem König von Dänemark erblich zufallen solle. Dadurch wäre Rügen dänisches Kronland und dem dänischen Reiche einverleibt worden. Mit Rügen wäre natürlich auch Stralsund und der festländische Teil des Fürstentums es geworden. Das aber konnte der rügensche Adel sowie die ganze Bevölkerung der Insel nicht zulassnen. Alle Interessen der Insel, Kultur und Sprache, waren deutsche, und der Adel selbst, deutschen Ursprungs, mußte einer Danisierung widerstreben. Zudem standen in jenem Falle auch seine Rechte auf dem Spiele. So trieb denn nicht blos die Sorge um seine Privilegien, sondern vor allem die Gefahr des Verlustes seiner deutschen Nationalität den rügenschen Adel zu einem Bündnis mit Stralsund und Brandenburg gegen den eigenen Landesherrn. Am 6. Januar 1316 schlossen Ritterschaft und alle Einwohner "des umflossenen Landes" Rügen mit Rat und Bürgerschaft Stralsunds einen Vertrag, des Inhalts: ewiglich bei einander zu stehen in allen Nöten und das alte Recht aufrecht zu erhalten, wie es von Alters her in der Stadt und im Lande Rügen gewesen sei. Unter der  rügenschen Ritterschaft, die sich so zur Rettung der deutschen Nationalität und ihrer alten Rechte verpflichtete, befanden sich viele noch jetzt blühende Geschlechter: die Putbus, von Bohlen, von Platen, von Lancken, vonKrassow u.a. So waren denn die Würfel gefallen, und das Schwert mußte entscheiden. Aber der Markgraf Waldemar konnte nur geringe Hülfe schicken, da er gegen Heinrich von Mecklenburg genug selbst zu thun hatte. Auch der nächste Nachbar, der Herzog von Pommern, leistete seinen thätigen Beistand, wenngleich er sich nicht zu den Feinden schlug. Stralsund und die Rüganer waren auf ihre eigne Kraft angewiesen, und das Vertrauen auf die gute Sache gab unverzagten Mut.  Im Juni desselben Jahres, wo Rügen und Stralsund die Allianz geschlossen hatten, rückten die Feinde vor den Sund. Herzog Erich von Schsen und viele Ritter und Herren befehligten das Heer, auch Fürst Witzlaw stellte sich jetzt ein. Im Hainholz vor Stralsund schlug man das Lager auf und verabsäumte in gründlicher Verachtung der Städter alle Vorsichtsmaßregeln. Noch war der Däne mit der Flotte und seinem Heere nicht da. Das gab den Bürgern und rügenschen Rittern den Gedanken ein, die Gegner einzeln zu schlagen, denen vereint sie sich kaum gewachsen fühlen mochten. Im Morgengrauen des St. Albanstages, des 21. Juni, machten sie rasch entschlossen einen Ausfall. Die Hutmacher hatten die Hufe der Pferde mit Filz umwickelt, daß alles Geräusch bei der nächtlichen Visite vermieden würde. Und glänzend gelang der kühne Streich. Die Herren im feindlichen Lager waren des Frühaufstehens, wie es scheint, ungewohnt, gründlich rieben ihnen die Stralsunder und Rüganer den Schlaf aus den Augen. Ungeheure Verwirrung giff im Lager um sich, was nicht niedergemacht wurde oder schleunigst davonlaufen konnte, wurde gefangen genommen. Herzog Erich geriet, tapfer kämpfend, in Gefangenschaft und viele adlige Herrin mit ihm. Witzlaw entkam auf einem Schiff, wahrscheinlich gab man dem eigenen Landesherren gern die Gelegenheit dazu. Gegen schweres Lösegeld kauften die Gefangenen sich später frei, und von diesen Summen erbauten die Stralsunder als stolzes Siegeszeichen die Front ihres Rathauses und den Artus = hof. Letzterer ward aber 1680 durch Feuer gänzlich zerstört, an seiner Stelle steht jetzt das Gebäude der Hauptwache. Durch diesen Sieg wurden die anderen Fürsten entmutigt. Zwar erschienen die Dänen mit der Flotte vor Stralsund, aber nach großen Verlusten mußte König Erich im Herbste den Kampf abbrechen. Die Sundischen setzten nach Rügen über, belagerten Witzlaw in seinem Schloß Rugard und verbrannten und zerstörten es später. Da kam denn endlich infolge allgemeiner Erschöpfung zu Sülz in Mecklenburg 1317 der Friede zustande.  Fürst Witzlaw begab sich sogleich nach Stralsund, um mit der Stadt alles ins reine zu bringen. Das Jahr 1316 hatte ihn von der Verkehrtheit seiner Politik vollständig überzeugt, fortan folgt er den Bahnen seiner Vorfahren. Ein Verhältnis wird begründet, wie man es nach allem Vorangegangenen nicht hätte erwarten sollen. Alle alten Privilegien bestätigt er der Stadt, neue, glänzende fügt er hinzu, so vor allem das wichtige Münzrecht. Natürlich geschah all dies gegen klingende Münze von Seiten der Bürgschaft, denn die fürstlichen Kassen waren durch den Krieg total erschöpft.  Auch mit seinem rügenschen Adel söhnte der Fürst sich aus. Er nahm auch hier den Grund zur Beunruhigung hinweg. Den Mißgriff, den er in seinem Eifer gegen Stralsund gethan hatte, in dem er sein Land Rügen der Krone Dänemarks erblich verhieß, sah er jetzt ein. König Erich starb 1319, und die nun folgenden Wirren in Dänemark unter Erichs Bruder Christoph erleichterten es ihm, den verhängnisvollen Schritt rückgängig machen machen zu können. so suchte er das Fürstentum Rügen demjenigen Lande zu sichern, mit dem es alle Beziehungen, die geographische Lage sowie kommerzielle und politische Interessen, Geschichte und Sprache verbanden, nämlich Pommern. Im Jahre 1321 schloß er mit demHerzog von Pommern Wartislaw IV., mit welchem ihn auch verwandschaftliche >Bande verknüpften (Wartislaw war seiner Schwester Sohn), einen Erbvertrag, kraft dessen Rügen an Pommern oder Pommern an Rügen fallen solle beim Aussterben je eines der beiden Regentenhäuser. Wartislaw hatte schon vorher von dem jetzigen König Chrisrtoph die Zusage erhalten, daß ihm das dänische Lehen Rügen beim eventuellen Aussterben des rügenschen Fürstenstammes übertragen werden solle. Die verwandte Seitenlinie des rügenschen Fürstenhauses, die Putbus`sche, wurde für die Nachfolge nicht in Betracht gezogen und erhob auch keine Ansprüche darauf.  So hatte Witzlaw denn alles zur Zufriedenheit seiner Bürger und Edelleute angeordnet und die Mißgriffe seiner früheren Politik, die Rügen wie Stralsund so sehr viel Schaden gebracht hatten, nach Möglichkeit wieder gut gemacht. Es ist merkwürdig, daß er, der letzte der rügenschen Fürsten , eine von der seiner Vorfahren so ganz abweichende Politik gegen seine Städte und seinen Adel befolgte. Unwillkürlich fragt man sich, wie Witzlaw dazu gekommen ist. Wir haben zwar keine direkten Nachrichten darüber, aber vermutlich hat der junge Fürst mehrere Jahre an den Höfen mitteldeutscher Fürsten zugebracht und hier ein ganz anderes Verhältnis vonFürst zu Adel und Bürgern kennen gelernt, als es im rügenschen Lande üblich war. Das regte den feurigen Geist Witzlaws zur Nacheiferung und führte ihn auf die schiefe Ebene des Konflikts. Denn hier im Norden mußten die Landesherrn, weniger mächtig als die anderen deutschen, sich noch anders zu ihren mächtigen Städten stellen als anderswo. Dafür waren hier die Zeiten noch nicht reif. Witzlaw war einsichtsvoll genug, solche Projekte fallen zu lassen, nachdem die Ereignisse ihn von ihrer Undurchführbarkeit überzeugt hatten.  Dieser Witzlaw III. ist aber auch in anderer Beziehung ein außerordentlich interessanter Mann. Ihm nämlich gab "der Lieder süßen Mund Apoll". Weit über Rügens Grenzen hinaus wurde er als Dichter und Minnesänger von seinen Zeitgenossen gefeiert. Mit Stolz kann nochheute jeden Rüganer das Lob erfüllen, das die berühmten Minnesänger Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, und Goldener dem rügenschen Sängerfürsten spendeten. So lautet Frauenlobs Spruch) auf Witzlaw III.: Wohlauf, mein Herz, bereite dich, ein Lob zu finden, hold mag sie klingen, die künstlerische Spende! - Unwürd`ges schau`n, färbt ihm die Stirn mit edler Glut. Der Engel Mut hat er zu guten Werken. Die Tugend wird ihn stärken. Nie wird der Menschen Blick Unedles an ihm merken. Darum sein Lob sich überall verbreite. - Zu seinem Preis ich mich ermannt, Daß ich der Menge machs bekannt. Er sei gepriesen! Es sei gesandt Sein Lob in aller Herren Land: Held Witzlaw dem Jungen von Rügen ertön`s aus Herzens Grunde.  Zu den schönsten Perlen deutscher Dichtung aus dem Mittelalter gehört das Loblied Goldeners auf Witzlaw:  Im Ehrengarten ward ein Kranz Gewunden Fein und hell vor Glanz, Daß er die Thaten hoher Fürsten lohne. - Wer treu und weise, mutentflammt, Ehrwürdigem Geschlecht entstammt, Empfang`den Preis, ihn schmückt diese Krone! Da fragt`ich Ritter und Frauen: "Wer soll ihn tragen? Wer ist`s, dem euer Spruch ihn zuerkannte? " Sie sprachen: "Das liegt wohl am Tag: " Den Kranz in Ehren tragen mag " Witzlaw, der junge Held im Rügenlande! "  Wir können aus den Worten " junger Held " und den beiden Gedichten schließen, daß Witzlaw als Jüngling an deutschen Fürstenhöfen - wie schon oben erwähnt - sich aufhielt, dort sich bildete, Minnelieder dichtete und die Bekanntschaft  der zeitgenössischen Dichter machte, die ihn so hoch schätzen lernten.  Von des fürstlichen Dichters Liedern sind uns einige aufbewahrt, leider nicht in der reinen Ursprache, sondern in einer korrumpierten Abschrift. Um einen Einblick in die Begabung, die Schönheit und den Reichtum der Gedanken dieses auf Rügen einzigen Dichterfürsten zu gewinnen, bringen wir einzelne Proben seiner Lieder. Wie schön versteht er der Liebe Empfinden in Worte zu kleiden:  Hoch preis ich dich in meiner Treue, Die ich dich lieblich sah vor meinen Blicken, Sei mein, Geliebte, mich allein erfreue  Mit allen Reizen, die dein Wesen schmücken!  Oder:  Seh ich ihr Bild in holden Zügen  Im Geist vorüberfliegen, Es trifft mich ins Herz mit Macht. Sie glänzed so klar wie die Sonne, Giebt`s höhere Wonne?  Eine rührende Abschiedsszene schildern folgende Worte aus einem größeren Liede, in welchem der Wächter zum Abschied bläst:  Der Ritter hört`s voll Sorgen, Sprach zur Geliebten sein: Auf`s neue komm ich morgen, Dann bist du wieder mein. Sie schlang um ihn den weßen Arm, Und küßt ihn auf den Mund so warm: Ach Ritter, in Liebe dich mein erbarm.  Auch von der Maienzeit ist der junge Dichter  entzückt, sie preist er oft; immer aber vergleicht er das Entzücken der Liebe mit ihr:  Wenn der Mai sich erschließet, Uns Vogelsang grüßt, Das Leben versüßt, Kein Kummer verdrießet, Lobt jeder den Mai. Doch wenn holde Frauen Uns liebevoll anschaun, Dann ade, Mai! Denn traun, Sie können erbauen Uns schöner als Mai. Nun haben wir beide, Frauen und Maien, Nun möget ihr euch des Lebens freuen, Nun tanzet und springet, und ohne Harm Ruhe die Braut in des liebsten Arm. Wehrt nicht des Herzens fröhlichem Drang, Folget des Maien wonnigem Klang, Bald ja ist Blüte verwelket.  Im Winter Trotz an den Rosen, die auf der holden Lippen blühn:  Von den Bäumen zuthal die Blätter nun wehn, Öd` ist`s in den Zweigen, die Blumen vergehn. Es starren die Bäume von Reif und Schnee, Wo finde ich trotz für des Herzens Weh? Laßt tausend Freuden uns grüßen zur Stund, Es blühen ja Rosen auf Frauen Mund, Die laßt uns besingen, die sind unser Trost, Unsre Wonne, wenn draußen dr Winter toßt.  Außer Liebes-und Maienliedern hat Witzlaw auch geistliche Lieder gedichtet, ferner Lobgedichte, Rätsel, Sittensprüche. Von letzteren führen wir eine Probe vor, eine Warnung vor dem Glauben an eine unabänderliche Vorbestimmung: "Nicht anders ist es mir bestimmt", "Es fügt sich so", wer das annimmt, Der kommt im Leben leich dazu, Daß er sich selbst betrüge. "Bestimmung" und "das ist mein Loos" , Wer`s sagt, der ist an Thorheit groß, Sich selbst betrügt er und die Welt, Dies Wort ist eine Lüge. Trifft ihn ein Leid, ist er gefeit Mit seinem: " So mußt`s kommen". Nein, höret mich, das sollt nicht sein. Nie hab ich das vernommen In Predigt und in Bücher Lehr, Wo nehmens nur die Thoren her? Womit beweisen  sie den Trug? Ihr Spruch sie selbst belüget. Anklänge an seine rügensche Heimat, Schilderungen ihrer speziellen Naturschönheiten usw. aber finden sich in Witzlaws Gedichten nirgends, ihr Inhalt ist überall ganz allgemein gehalten.  Mit Witzlaw III. erlischt der Stamm der eingeborenen rügenschen Fürsten. Sein einziger Bruder Sambor starb gleich nach Regiergungsantritt und seinen einzigen Sohn Jaromar sah Witzlaw kurz vor seinem eigenen Tode im blühenden Jünglingsalter ins Grab sinken. So trat denn der Fall ein, den der Erbvertrag glücklicherweise vorgesehen hatte, und das Fürstentum Rügen fiel an den Herzog Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast.  Betrachten wir zum Schluß dieses Abschnittes noch einmal im Überblick die Leistungen der fünf rügenschen Fürsten, so müssen wir anerkennen, daß dies eingeborene Geschlecht ein durchaus thatkräftiges und zielbewußtes gewesen ist. Ein feuriger, klarer Kopf führte das Inselreich gewandt und sicher in die neue Zeit ein, Sohn und Enkel wandeln die von den Zeitverhältnissen vorgschriebenen und vom Ahn zuerst betretenen Wege zum Vorteil der Insel weiter als tüchtige Staatsmänner. Tapfere, entschlossene Krieger, verleugnen sie den alten Kampfesmut  des ranischen Blutes nicht und erwerben sich die Lorbeeren des Sieges. Die neue Tugend der Frömmigkeit, diesie alle eignet, zeigt die große Elastizität ihres Geistes. Anlage und hohe Begabung, die keinem von ihnen fehlt windet dem letzten Sprößling des edlen Hauses die Dichterkrone ums Haupt. Wahrlich, es sind tüchtige Männer, diese fünf rügenschen Fürsten, die über anderthalb Jahrhunderte (1168-1325) das Schicksal der Insel leiteten. Verglichen mit vorher und nachher genoß Rügen unter dem Schirme seines einheimischen Fürstenhauses des Goldenen Zeitalters.  Das Jahr 1325 ist für unsere Insel ein höchst wichtiges.Anderthalb Jahrhunderte waren vergangen, seit Rügen in den Kreis der abendländischen Kultur aufgenommen war; seit fast ebenso langer Zeit sproßte die Saat deutschen Fleißes, deutschen Handels, deutscher Gesittung in rügenschen Landen. Und war auch das Oberlehnshaupt Rügens dänisch, so geschah doch von jener Seite kein Schritt, der störend eingegriffen hätte in die Entwicklung der rügenschen Verhältnisse nach dieser Richtung hin. Kurz vor 1325 war ja allerdings eine drohende Gewitterwolke aufgezogen über die deutsche Kultur auf Rügen, als Fürst Witzlaw sein Land der dänischen Krone eblich verhieß. Aber das Deutschtum war in unseren Gebieten bereits so erstarkt, daß es dieser Gefahr nicht blos trotzen, sondern sie erfolgreich abwenden konnte, wie wir in dem glorreichen Kampfe von 1316 gesehen haben.- Im Jahre 1325 nun wurde der Schlußstein dieses deutschen Baues gelegt, indem das rügensche Fürstentum dem bereits vollständig germanisierten pommerschen Herzogtume zugewiesen wurde. Damit war für Rügen die Gefahr einer Danisierung für immer vorbei, es war für Deutschland definitiv gerettet. Und sollten im Laufe der Jahrhunderte auch noch manche Stürme über die Insel brausen, die sie für immer wieder vom deutschen Reiche loszureißen schienen, die starken Wurzeln ihrer deutschen Kraft lagen zu fest begründet, als daß sie ganz wieder gelockert werden können.  Aber das Jahr 1325 hat wie in kultureller, so noch in politischer Beziehung eine ganz besondere Bedeutung für Rügen. War Rügen vor anderthalb hundert Jahren zwar von der Höhe der Selbstständigkeit, der Souveränität herabgestürzt, so blieb es doch immerhin noch ein Fürstentum für sich, fungierte also doch immer noch in der Reihe der bestehenden Staaten, indem es im Herzogtum Pommern aufgeht. Fortan ist sein Geschick das Pommerns und die aktive Rolle, die Rügen seither in der Geschichte gespielt hat, ist fernerhin zu einer hauptsächlich passiven geworden.  Zunächst blieb Rügen noch ein dänisches Lehnsland, als solches erhielt es Wartislaw IV. , Herzog von Pommern - Wolgast von Dänemark. Er empfing als erster pommerscher Herzog in Stralsund am 4. und 5. DEzember 1325 die Huldigung der rügenschen Städte, vor allem Stralsunds, des rügenschen Adels und der sonstigen Einwohner, bestätigte alle vorhandenen Privilegien und fügte als neues für Rügen hinzu, daß der herzogliche Vogt und sonstige Beamte auf der Insel nur aus dem eingeborenen rügenschen Adel genommen werden dürften.  Bald hatten die rügenschen Vasallen Gelegenheit, ihre Treue gegen ihr neues Herzoghaus zu bethätigen. Wartislaw starb 1326 , er hinterließ nur unmündige Kinder, und nun streckte der Herzog Heinrich von Mecklenburg seine Hände nach dem schönen Erbe aus. Ihn hatte der wankelmütige König Christoph, derselbe, von dem Wartislaw Rügen erhalten hatte, jetzt damit belehnt. Ein rügenscher Erfolgskrieg entstand. Aber die pommerschen Städte  und der rügensche Adel hielten treu zu Wartislaw Hause, schlugen die Mecklenburger zurück und retteten das Fürstentum für Pommern. Auch in einem später noch einmal begonnenen Kriege hatten die Mecklenburger nicht besseren Erfolg. Die Gefahr, mecklenburgisch zu werden, war damit für Rügen beseitigt.  Die folgenden Zeiten des 14. , sowie  des15. und 16. Jahrhunderts bringen wenig große politische Ereignisse für unsere Insel. An den großen Kämpfen, welche in diesen Jahrhunderten die Hansestädte gegen die nordischen Reiche führten, ist Rügen selbst nur unbedeutend direkt beteiligt, es tritt hier naturgemäß gegen Stralsund zurück, das jetzt den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Aber doch kann diese Zeit in der Geschichte Rügens nicht ganz übergangen werden. War es doch das Jahr 1368 , in welchem die große Fotte der Hansestädte von ihrem Sammelplatz, dem Gellen, auslief, um das dänische Reich niederzuwerfen. Zweihundert Jahre waren vergangen, seit Waldemar I. Rügen unterworfen hatte; nun unternahmen von Rügens Küste aus die deutschen Städte, die Erben der einstigen slawischen Macht, den Vergeltungskrieg gegen Dänemark. Wieder saß ein Waldemar auf dem dänischen Throne, der vierte seines Stammes. Auch ihn verknüpfen manche Bande mit Rügen. Sein Günstling sowie seine Geliebte stammten beide aus dem rügenschen Geschlechte der Putbus.  Als die hansische Flotte herannahte, verließ der einst so kühne und glückliche Waldemar IV. kleinmütig sein Land. Und wie eine Ironie auf die einstige Machtstellung Dänemarks fügte es sich, daß er seinem Günstling Henning Putbus, einem Sproß des rügenschen Königshauses, das der erste Waldemar vor gerade zweihundert Jahren gestürzt hatte, den Schutz seines Landes anvertraute!  Um seine Geliebte aber, die " kleine Towe", hat die Sage einen romantischen Kranz gewunden. Sie soll eine Rüganerin aus dem Hause Putbus gewesen sein. Unendlich innig hing Waldemar an ihr. Und als sie starb, konnte er sich  von dem Leichnam nicht trennen und trug ihn überall mit sich. Towe hatte an ihrem Leibe ein verborgenes Amulett, das diese Zauberkraft auf den König ausübte. Das entdeckte endlich ein Diener. Er nahm das Zauberstück und vergrub es im Parke des Schlosses Gurre bei Helsingör auf Seeland. Nun übertrug sich die Liebe des Königs auf das Schloß Gurre, das fortan sein Lieblingsaufenthalt blieb.  Noch andere rügensche Edelleute waren in Waldemars IV.Diensten, so ein Moltke von Neuenkirchen, ein von der Lanken. Der Glanz des Hoflebens übte diese Anziehungskraft auf den Adel aus.Der Vater jenes Henning dagegen, Borante von Putbus, hielt sich von diesen Bestrebungen fern. Üeberhaupt haben die Putbus, damals noch Ritter, in diesen Zeiten in eigentümlich enger Freundschaft zu Stralsund gestanden. 1380 hatte die Stadt mit ihnen ein Defensiv-Bündnis geschlossen, und Pridbor von Putbus übergab 1416 sein Schloß der Stadt zeitweise zum Pfand für eine Anleihe. Ja, 1466 heiratete der Stralsunder Bürgermeister Erasmus Stenweg eine Tochter des Ritters Nikolaus von Putbus, Hippolyta. In nicht mehr so freundschaftlicher Beziehung wie noch 1316 standen manche andere Adelsfamilien Rügens jetzt zu Stralsund, wie wir auch noch später finden werden. Jetzt überwachten die Stralsunder die Insel, daß von dieser Seite keine Gefahr für die Hansa komme und belegten die Güter der dänisch gesonnenen Adligen mit Beschlag. Infolge dieser Kriege und des später zwischen Waldemars Tochter Margarete und Mecklenburg um die Krone Schwedens geführten, war das Seeräuberunwesen auf der Ostsee wieder in Blüte gekommen. Zum Entsatz und zur Verproviantierung Stockholms, das Margarete belagerte, ließen die Mecklenburger Fürsten, deren einer die schwedische Krone trug, Schiffe auslaufen, die zugleich gegen die Dänen kapern sollten. Vitalienbrüder nannten sich  die Kapitäne dieser Schiffe nach ihrer Aufgabe. Allein sie plünderten alle Fahrzeuge, denen sie begegneten, und als Stockholm 1395 fiel, stellten sie ihr Handwerk keineswegs ein. Sie nannten sich nun Likendeeler, d. h. Gleichteiler, weil sie die Beute zu gleichen Teilen unter sich teilten. Die Schädigung, die der Handel von ihnen hatte, war unberechenbar. Endlich raffte die Hansa sich auf und ging diesem Unwesen energisch zu Leibe. Die verwegensten dieser Likendeeler waren Klaus Störtebecker und Goedeke (Gottfried) Michel. Beide bringt die Sage mit unserer Insel Rügen in Verbindung. Störtebecker soll ein entlaufener Knecht aus Ruschvitz aus Jasmund gewesen sein, Michel aus Barth gestammt haben, oder auch umgekehrt; jedenfalls waren beide aus rügenschem Lande. Aus niedrigem Stande arbeiteten sie sich zu Kapitänen und Hauptleuten der Likendeeler herauf, ihre Kühnheit machte sie zum Schrecken aller Schiffer der Ostsee. Störtebecker hatte sich in Spanien Gebeine irgend eines Heiligen "gemauset", wie ein Chronist sagt; diese Heiligen "gemauseten" Knochen gaben ihm das Glück, das er bei allen Räubereien hatte, und das man damals unmöglich seiner natürlichen Verschlagenheit und der  Kraft seiner eigenen Knochen allein zuschreiben konnte. Ungeheure Schätze hatte er zusammengeraubt, sie verbarg er in der unzugänglichen Schlucht bei Stubbenkammer, in welcher sich eine, jetzt verschüttete, Höhle befand. Noch haftet ja die Sage von verborgenen Schätzen, wie schon im vorigen Jahrhundert, an der Schlucht beim Königsstuhl. Niemand hat die Schätze gesehen außer einem  Missethäter, dem man im vorigem Jahrhundert zur Rekognoszierung an einem Strick von der Höhe des Königsstuhls herabgelassen haben soll. Er erzählte Wunderdinge von dem, was er da unten geschaut habe; nur ist es noch wunderbarer, daß man die vermeintlichen Schätze nicht heraufholte. Ob man abgeschreckt wurde durch die Jungfrau, die Störtebecker ebenfalls hier eingesperrt hatte und die noch jetzt in mondheller Nacht hervorkommt aus der Schlucht, um am Waschstein das thränenfeuchte Tuch auszuwaschen? Dies Jungfräulein giebt ja erst der ganzen Störtebecker-Geschichte den romantischen  Zauber. Sie hatte er aus Riga geraubt, vom Traualtar weg, wo sie eben wider Willen einem Manne angetraut werden sollte. Auf Stubbenkammer verbarg er sie, seinen besten Schatz, vor den nachjagenden  Feinden. Aber im Arm der Liebe duldete es den unruhigen Gesellen nicht. Noch eine Fahrt nur wollte er wagen, sie bat und flehte, ihr bangte das Herz, umsonst! Dem Likendeeler war auch das Herz in "like Deele" getheilt, in Raubluft und Liebe. So ging er wieder hinaus auf die See. Aber die Hanseaten jagten ihn in die Nordsee, und hier ereilte ihn das Verhängnis. Eine Hamburger Flotte nahm ihn mitsamt Goedeke Michel und anderen Spießgesellen nach scharfen Kampfe bei Helgoland gefangen. Im Triumpf brachte man den Gefürchteten nach Hamburg. Vergebens bot er für sein so viel Gold, wie ein hohler  Mast fassen könne. Nur die grausame Vergünstigung ward ihm zuteil, daß er erst die Köpfe Helfershelfer durfte fallen sehen, ehe er selbst hingerichtet wurde (1402). Noch lange bewahrten die Hamburger den erbeuteten Humpen Störtebeckers auf, den ihm einst ein holländischer Edelmann aus Gröningen verehrt hatte mit der bezeichnenden Inschrift: "Ick Junker Sissinga von Groninga drunk dees Heusa  (Gefäß) In een Fleusa (Zug) door (durch) myn kraga In een maga (Magen).! Empfindlicher als bisher wurde Rügen von dem Hansekrieg zu Anfang des 16. Jahrhunderts betroffen. Im Verlaufe desselben landeten 1511 die Dänen 5000 Mann auf Jasmund und verwüsteten die zahlreichen Besitzungen Stralsunds auf Rügen bis in die Gegend der alten Fähre. Als man in Stralsund hiervon 'erfuhr, wurde ein Bürgerheer von 800 Mann nach der alten Fähre hinübergesetzt, um die Dänen  zu verjagen, deren Stärke man nicht kannte. Inzwischen stiegen einige Bürger auf den Jakobikirchturm, der damals noch seine schlanke gothische Spitze hatte, um nach Rügen Ausschau zu halten. Da gewahrte man denn an den zahlreichen Feuerscheinen, daß die Dänen den Bürgern bei weitem überlegen sein müßten und benachrichtigte schleunigst den Rat von der augenscheinlichen Gefahr der  Hinübergesandten. Sogleich wurden alle verfügbaren Fahrzeuge zur Rettung hinübergeschickt. Es war die höchste Zeit. Die Stralsunder waren mit den Plünderern schon handgemein geworden und von deren Masse nach Altefähr zurückgedrängt. Hier in dem Hohlwege des Dorfes entspann sich ein letzter, wütender Kampf. Kaum landeten die Fahrzeuge, da stürzte alles in wilder Flucht hinein. Ein kleines Häuflein  in dem Hohlwege deckte den Rückzug und verschaffte, indem es sich heldenmütig bis auf den letzten Mann aufopferte, seinen Mitbürgern die Zeit zur Rettung. Es war nicht das letzte Mal, daß hier in Altefähr blutig gerungen wurde. Die Dänen zogen sich jedoch mit ihrer Flotte zurück, da sie für eine Belagerung des wachsamen Stralsund sich zu schwach fühlten. Die Jahrhunderte, in denen die mächtige Hansa den nordischen Reichen erfolgreich gegenübertreten konnte, sind zugleich angefüllt mit inneren Parteifehden in den Hansestädten. Für Stralsund kamen noch die Kämpfe mit dem pommerschen Herzögen hinzu. Es waren ja die Zeiten der höchsten städtischen Machtentfaltung, die landesherrliche Gewalt aber war noch zu schwach, um die Privilegien und Vorrechte der stolzen Stadt am Strelasunde brechen zu können, wenngleich die immer wiederholten Versuche dazu nicht ausblieben. In den Strudel dieser Wirren wurde auch der rügensche Adel mit hineingezogen. Er war zum Teil im Dienste des Herzogs und daher ein Gegner der Stadt; anderseits war persönliche Entzweiung mit den Oberhäuptern Stralsunds Veranlassung zu tötlichem Haß. Und so spiegeln die blutigen Fehden Stralsunds mit rügenschen Adelsfamilien das Zeitbild der allgemeinen damaligen Zustände des Reiches getreulich wieder, wo die Gewaltthätigkeit groß, das Recht gering, die eigne Faust der Schiedsrichter war. Starke Suhm, aus altem rügenschen Adelsgeschlecht, erbgesessen auf Kaiseritz bei Bergen, war befreundet mit dem mächtigen Stralsunder Bürgermeister Wulf Wulflam, dessen Haus mit seinem hohen Giebelbau noch jetzt in fast  ursprünglicher Gestalt am alten Markt zu Stralsund steht. Aber die beiden Herren erzürnten sich aus unbekannt gebliebenen Gründen, und unversöhnlicher Haß trat an die Stelle einstiger Freundschaft. Als Suhm am 2. März 1405 mit seinem Sohne wieder einmal nach Stralsund hinüberkam, wurde er im Fährboot von Meuchelmördern überfallen und erdolcht. Seinen Sohn Thorkel rettete nur das Mitleid des Fährmanns. Man brachte den Leichnam nach Stralsund, und da  man gewohnt war, Suhm bei Wulfam absteigen zu sehen, legten die Fährleute den Toten vor des Bürgermeisters Haus nieder. Aber Wulflam, dessen Haß selbst den Tod des Gegners überdauerte, schrie aus dem Fenster: "Je scholden em dat beest von der doren bringen." Das war nun eine Roheit, die selbst den starken Nerven jener Zeit etwas zu viel bot, man munkelte, daß Wulflam der Unstifter des Mordes gewesen sei, Suhms Sohn, der die näheren Verhältnisse kannte, ward es zur Gewißheit. Doch vor welches Tribunal sollte er den Mörder fordern? In Stralsund war Wulf allmächtig, mit dem Herzog war er eng befreundet, der hätte sich auch gehütet, deswegen mit der Stadt anzubinden. So nahm Thorkel Suhm, über dessen Haupt ja auch der  Mordstahl geschwebt hatte, die Rache in die eigene Hand. Fünf Jahre mußte er sich gedulden. Am Allerheiligentag 1409 fand er Gelegenheit, auf dem Kirchhofe zu Bergen dem sonst unnahbaren Wulflam den Dolch ins Holz zu stoßen. In der allgemeinen Verwirrung konnte er entfliehen; aber die böse That gebar wieder Böses. Sobald die Kunde von der Ermordung des Bürgermeisters nach Stralsund gelangt  war, setzte ein Bürgerheer zur Verfolgung des Mörders nach Rügen über. Konnte man seiner auch nicht habhaft werden, so ward doch sein Hof Kaiseritz zerstört. Eine Fehde der ganzen Sippe der Suhms mit Stralsund war die Folge. Erst nach 5 Jahren wurde durch des Herzogs Wartislaw VIII. Vermittelung die Sache beigelegt. Die Stadt bezahlte den Suhms 1800 Mark Entschädigungsgelder, sie dagegen   mußten die Hand des ermordeten Bürgermeisters in feierlicher Prozession in der Nikolaikirche zu Grabe tragen, Thorkel Suhm aber blieb von der Versöhnung ausgeschlossen. Vielleicht war er der Urheber  eines Überfalls, den 1421 mehrere adlige rügensche Herren gegen das Gut Bessin bei Altefähr machten, das dem Schwiegersohne Wulf Wulflams, Matthias Darne, gehörte. Nach der guten alten Sitte des  Faustrechts wurde der Hof um Mitternacht mit einer Visite beglückt, die Pferde fortgeführt, Getreide, Hausgerät und andere Kleinigkeiten geraubt. Stralsund verfestete die räuberischen Herren, und so ging  wieder Mord und Totschlag aus dieser Saat auf. Alles dies aber ist Kinderspiel gegen die hartnäckige und langwierige Fehde, welche Stralsund mit dem rügenschen Geschlechte der Barnekows auszufechten  hatte. Raven Barnekow war herzoglicher Vogt auf Rügen. Herzog Wartislaw IX., in seiner ungeschickten kriegerischen Politik gegen Mecklenburg von dem Stralsunder Bürgermeister Otto Voge mit Recht  nicht unterstützt, beschloß, diesen zu stürzen und wo möglich das Stadtregiment in seine Hand zu bekommen. Mit einer Partei der Unzufriedenen in Stralsund setzte er sich in Verbindung, und es kam eine  Verschwörung gegen den Rat zustande. Zur Ausführung des Handstreiches wurde der Städtetag ersehen, der für 1453 nach Stralsund ausgeschrieben war. Die adligen Anhänger des Herzogs sollten sich in  Menge dort einfinden, darunter auch der rügensche Landvogt Raven Barnekow. Aber Otto Voge fing am Tage vor der Versammlung einen Brief der Verschworenen auf, durch welchen der Herzog arg  kompromittiert, und der ganze Anschlag verraten wurde. Jetzt galt es zu handeln, und der Bürgermeister Voge besaß die ganze Energie, einem solchen Schritte zu begegnen. Er ließ die Stadtthore schließen  und besetzen, um dem Herzog den Eintritt zu wehren, und von Rügen durften die Fährleute nur den Landvogt Barnekow hinüberlassen. Der hatte vom Herzoge den Auftrag, den Aufstand gegen Voge in  Gang zu bringen, ahnte aber noch nicht, daß er sich in die Höhle des Löwen begebe, aus der kein Entrinnen mehr möglich war. In der Nikolaikirche eröffnete der Bürgermeister die Versammlung. Wie ein  Blitz aus heiterem Himmel traf sie hier die Mitteilung von der Entdeckung der Verschwörung, und mit donnernder Stimme schalt Voge den Herzog einen Verräter an der Stadt Stralsund. Raven Barnekow  ergriff das Wort zur Verteidigung seines Herrn. Nicht der Herzog, sondern Voge sei ein Verräter am Herzog, und das werde sich bald erfinden. Voge merkte, worauf das hinzielte; noch hatte er die Macht in  Händen. Er besann sich nicht lange, wo es sich um Sein oder Nichtsein handelte, ließ den Landvogt verhaften und wußte auch die auf dem Markte zusammenkommenden Bürger zu beschwichtigen. Als der  Herzog von solch unerwarteter Wendung der Dinge hörte, versuchte er wenigstens, seinen Vogt zu retten. Doch die Stralsunder verweigerten die Auslieferung desselben, da sie das Recht hatten, auf ihrem  Gebiete verübte Verbrechen selbst zu richten. So wurde denn Raven Barnekow in der Stadt der Prozeß gemacht, und nach dreiwöchentlichem peinlichen Verhör wurde er wegen Hochverrat an der Stadt  zum Tode verurteilt. An ein Pferd gebunden, ward er durch die Stadt zum Richtplatz geschleift, an allen Straßenecken rief der ihn begleitende Büttel das Verbrechen aus, dessen er sich schuldig gemacht  habe. Was half es, daß er sich, soweit er noch Kräfte hatte, aufrichtete und dagegen rief: sie lögen es wie ehrlose Schelme und böse Wichte! Draußen vor dem Thore ward er aufs Rad geflochten. So  erforderte es das Recht der guten alten Zeit.- Kaum hatte der rügensche Landvogt unter Qualen sein Leben ausgehaucht, da begannen seine Söhne und der Herzog den Kampf gegen die Stadt. Die  Sundischen wurden aufgegriffen, wo man ihrer gerade habhaft wurde, ihre Besitzungen zerstört, ihre Güter geraubt; sehr empfindlich litt Handel und Verkehr. Zugleich forderte Wartislaw in einem sehr  energischen Schreiben  die Auslieferung der Urheber der "boshaftigen Missethat". Aber das alles konnte Voges Macht noch nicht erschüttern. Erst als er mehrere Bürger verhaften ließ, die an dem vereitelten  Attentat gegen den Rat beteiligt gewesen sein sollten, und jeder fürchtete, daß auch er an die Reihe käme, brach der Sturm gegen seine Diktatur los. Zwar konnte er ihn noch beschwichtigen, aber er sah seine Stellung wanken und verließ deshalb die Stadt. Jetzt söhnten die Sundischen sich auch wieder mit dem Herzog aus. Mit den Barnekows aber dauerte die Fehde noch 17 Jahre lang. Raven Barnekow  der Jüngere raubritterte gegen Stralsunder, wo er Gelegenheit fand, Jaroslaw Barnekow dagegen, der die Rechte studiert hatte, machte beim Kammergericht einen langatmigen Prozeß gegen Stralsund  anhängig wegen Schadenersatz für den hingerichteten Vater. Nach vollen zehn Jahren kam denn hier das Urteil zustande: die Stralsunder wurden in die Prozeßkosten verurteilt und sollten den Söhnen  Barnekows 500 Mark Gold (300000 Mark!) Schadenersatz geben, für die Seele des Hingerichteten aber verschiedene Messen, Altäre usw. stiften, widrigenfalls sie in die Reichsacht gethan würden. Und  wirklich wurde Stralsund nach abermals vier Jahren, 1469, als es sich um den Urteilsspruch immer noch nicht gekümmert hatte, in die Reichsacht erklärt! Aber der damalige Kaiser Friedrich III. hatte keine  Macht, diese vollstrecken zu lassen, und so blieb alles beim alten. Erst dem Pommernherzog Erich gelang es 1470, unbekümmert um Reichsgericht und Reichsacht, auf eigene Hand einen Vergleich zwischen  den hadernden Parteien zustande zu bringen. Die beiderseitigen Schäden wurden kompensiert. Der Herzog gab den Barnekows aus eigener Tasche einen Schadenersatz und sorgte für ein ehrliches Begräbnis  des Hingerichteten in Greifswald, wohin er die Leiche holen ließ. Wie war an diesen speziellen Beispielen sehen, so war auch im allgemeinen das Völkchen Rügens in damaliger Zeit des 15. und 16.  Jahrhunderts ein höchst rauflustiges, Kantzow nennt es sogar ein "sehr zenkisch und mortisch folk." Die damalige Sitte, stets Schwert oder Spieß bei sich zu führen, trug viel dazu bei. Bewaffnet ging man zum  Hochzeitsschmaus, gewaffnet sogar zur Kirche. Hier setzte man die Spieße vor die Kirchenthür oder nahm sie sogar mit hinein. War dann der Gottesdienst aus, so erhob sich draußen oft "ein lermen."  Sonderlich in den Krügen, wenn Bier oder Wein den Kopf erhitzt hatten, gerieten die Rüganer oft aneinander. Da endete mancher Disput mit handgreiflichem Beweis, und wenn einer sagte: "Dat walde gott  un een kolt isen", "so mag man ihm wohl auf die Fäuste sehen und nicht aufs Maul, denn er ist balde an einem." Einen schlimmen Stand hatte unter solchen Verhältnissen der Landvogt an den Gerichtstagen,  die alle Sonnabend in Bergen abgehalten wurden. Da hatte er von früh bis spät abends genug zu thun. Und er unterbrach die Sitzung nicht gerne des Mittags wegen, da er seine Leute sattsam kannte. Denn so  er sie weggehen ließ und nach dem Essen wieder beschied, so trinken sie sich "etwan full" und richten einen neuen "allerm" an. Und wenn sie wiederkommen, treiben sie "solch ungestümigkeit" vor Gericht,  "daß der Landvogt nyrgentz mit ihnen auskann." Wie im Trinken, so mochte auch im Essen der damalige Rüganer oftmals des Guten zuviel thun, wenigstens läßt ein Vers eines kamminer Bischofs das  schließen, wenn es heißt: "Wenn du nicht täglich vermagst, zu verschlingen sieben Mahlzeiten und eine Unmasse Käs', kannst du Rüganer nicht sein. "Das Selbstbewußtsein, daß sich in dem ganzen Benehmen  der Bevölkerung ausdrückte, hatte seinen Grund in einer gewissen Wohlhabenheit, der auch der Bauer auf Rügen sich im allgemeinen erfreute. Viele hatten ihre Dienstleistungen mit Geld abgelöst und fühlten  sich ganz wie Freie. Und es kam vor, daß ein armer Edelmann seine Tochter einem reichen Bauern zur Frau gab, deren Kinder sich dann "halb frei" achteten und "Knesen" genannt wurden. Sicherer Umsatz  seiner Produkte in Geld war dem Bauer gewiß. Korn und Vieh, alles wurde er in Stralsund, wohin er es nur zu Markte bringen durfte, leicht los. Berühmt waren schon damals die rügenschen Gänse, und weil  auch sie nur in Stralsund zum Handel gebracht werden durften, gab es ein Scherzwort: "Wenn die rügenschen Gänse aus dem Thore gehen, so recken sie den Hals auf nach dem Sunde. "Besondere  Liebhaberei hatten manche Edelleute und Bauern an der Zucht von Windhunden, deren beste sogar weit außer Landes verhandelt wurden. Nur auf Wittow waren die Hunde verboten. Dort hatten die  Herzöge ein Hasengehege, und wegen Schonung desselben durfte kein Bauer einen Hund halten, es sei denn, daß er ihn vorher lahm geschlagen oder ihm ein Bein abgehauen hatte. Die Geistlichkeit auf  Rügen rekrutierte sich in reformatorischer Zeit aus dem Adel. Sie stand immer noch unter dem Bischof von Roesfilde, an ihn wurden auch die kirchlichen Abgaben entrichtet, der sogenannte Bischofsroggen.  Der Schweriner Bischof, dem Rügen ja auch unterstellt war, scheint nie Einfluß auf der Insel gehabt zu haben, und wagte es gar mal der pommersche Bischof von Kammin in die geistlichen Angelegenheiten  der Insel sich zu mischen, so konnte er sicher sein, daß die Geistlichen "nicht nach seiner Pfeife tanzten". Sie hielten sich ihre Gehülfen, Plebanen, die den Gottesdienst verrichteten, während sie selbst nur  selten die Kanzel betraten, und dann nur, um den "Pöfel" mit scharfen Worten mal ins Gewissen zu reden und gegen klingende Opferspende die Sündenmakel zu erlassen. Sie selbst freilich machten es nicht  besser als der Pöfel, und in nichts unterschieden sie sich von ihren zeitgenössischen Amtsbrüdern. Latein, Griechisch und Hebräisch waren auch für sie unbekannte und längst überwundene Größen, um so  genauer wußte man mit Messen, Almosen, Wallfahrten, am besten mit den Künsten des Trinkens und Schmausens, des Karten- und Brettspiels Bescheid; und um die Bestimmungen des Cölibats verstanden  auch sie sich herumzudrücken. Die reformatorischen Beschlüsse des Konstanzer und Baseler Konzils wurden zwar auch den rügenschen Geistlichen vorgehalten, aber "es hieß: viel gesagt und wenig gethan".  Gerade so sah es schließlich in den rügenschen Klöstern aus. Die Mönche auf Hiddensöe, die sich mit dem Abschreiben der Kirchenväter und der alten "musikalischen Konzerte", d. h. der lateinischen  Kirchengesänge und Noten beschäftigt hatten, verloren durch die Erfindung der Buchdruckerkunst ihre Arbeit und verlotterten. Und daß auch im Berger Nonnenkloster nicht alles mehr in Ordnung war, läßt  schon eine Sage des vorigen Jahrhunderts von einem Nonnenloch auf Mönchgut vermuten, wohinein die zur Strafe des lebendig Eingemauertwerden verurteilten Nonnen gestürzt sein sollen, und macht eine  spätere Visitation des Klosters zur Gewißheit. Klöster und Geistlichkeit waren zwar von Abgaben frei, aber doch hatten es die Herzöge verstanden, die reichen Herren zu schröpfen. Sie besuchten sie auf  ihren Reisen auf Rügen, und solche Ehre erwiderten dann die Geistlichen notgedrungen mit "Futter und Mahl". Das war anfangs eine freiwillige Leistung, die im Laufe der Zeiten Gesetz wurde unter dem  Namen des Ablagers oder  der Herrenbitte. Aber Bogislaw X. machte die Sache wohl doch zu bunt, die Geistlichkeit klagte, daß, wenn man dem Herrn noch wohl gütlich thun wolle, so doch "dessen  Schwanz ihnen zu groß fiele", "maßen Bogislaw gemeiniglich eine ansehnliche Suite bei sich führte", die mit dem Schwanz gemeint ist. Daher wurde die Verordnung getroffen, daß Klöster und Geistliche fortan  ein gewisses "Ablager-Geld" in das herzogliche Amt 'zu Bergen zahlten und dafür fortan von der Ehre des Besuches verschont blieben. Auf andere Weise wußte die spekulative Geistlichkeit aber wieder Geld  zu verdienen. Auf dem Zudar hatte man einen Wallfahrtsort etabliert, dessen Besuch für Frauen und Kinder soviel galt wie eine halbe Reise nach Rom. Auch hatte man sich einen Ablaß für diese heilige  Stätte, die in der Chronik leider nicht mit Namen genannt ist, verschafft, und der große Zulauf brachte eine schöne Summe Geldes ein. Denn das weibliche Geschlecht zog diesen nahen Ort natürlich dem  entfernten Rom vor, und pilgerte lieber zweimal nach dem Zudar als einmal nach Rom, zumal das Fazit dasselbe war. Aber im Jahre 1372 überraschte ein Sturm die nach dem Zudar segelnden Pilger, und  gegen 90 Personen, Kinder und Frauen, ertranken. Seit der Zeit kam der Wallfahrtsort in Mißkredit und ging ein. Das ganze Christentum ging schließlich wie überall so auch auf Rügen in äußerlichem  Formelkram auf, daneben grassierten Überreste heidnischen Aberglaubens, vermischt mit christlichem. So wurden am Christabend Korngaben ins freie gebracht und dem Wind und Schnee ausgesetzt. Von  diesem so geweihten Korn bekam jedes Mitglied der Familie und selbst jedes Stück Vieh zu essen zum Schutz gegen Krankheiten. Die am Palmsonntag geweihten Zweige nagelte man über Haus- und  Stallthüren, dadurch wurde "der Böse" abgehalten, und beim Gewitter legt man davon aufs Feuer, dann schlug der Blitz nicht ein. Und tausenderlei mehr. Ernstere Gemüter konnten an solchem Christentum  keine Befriedigung finden, und das ganze Gebahren der Geistlichen, das nur auf Geldgewinn hinauslief, und ihr anstößiger Lebenswandel öffnete schließlich auch dem Blödesten die Augen über die  Ausbeutung der frommen Einfalt gläubiger Schafe. Mächtige Anregungen gegen das Pfaffentum gingen von Stralsund, wo der Haß gegen die schnöde Pfaffenwirtschaft sich öfters in gewaltigen Explosionen  Luft machte, auch nach Rügen aus. Und als endlich unter dem Ansturm der reformatorischen Ideen in Stralsund das morsche Gebäude "des Antichrist" zusammenbrach, 1524, zog auch auf Rügen diese  Erschütterung ihre Kreise. Es ist urkundlich das Jahr nicht festzustellen, wann die Reformation auf Rügen begann, jedenfalls jedoch noch in demselben Jahre wie in Stralsund, das brachten schon der  beständige Verkehr und die vielen Besitzungen der Stralsunder auf der Insel mit sich. Daß auch auf Rügen Bilderstürmerei nicht ausblieb, bezeugt ein Chronist des vorigen Jahrhunderts, der noch  verstümmelte Heiligenbilder in den Kirchen sah. Endlich waren auch hier die Zuckungen der Katastrophe überwunden, und auf dem pommerschen Landtage zu Treptow an der Rega 1534 wurde auch das  Kirchenwesen der Insel geordnet, die jetzt vollständig der evangelischen Lehre angehörte. Die von Bugenhagen, dem Reformator Pommerns, ausgearbeitete Kirchenordnung wurde auch auf Rügen  eingeführt, und damit dem bisher noch unklaren Zustande in der rügenschen Kirchenordnung ein Ende gemacht. Die ganze Insel wurde in vier kirchliche Distrikte eingeteilt, sogenannte Präposituren, die  Berger, Gingster, Poseritzer, Jasmund-Wittower. Diese Einteilung bestand bis 1806, wo sie in zwei, die Berger und Garzer Probstei, umgeändert wurde. In preußischer Zeit sind dann drei Superintendenturen auf Rügen eingerichtet, die Altenkirchener, Berger und Garzer. Das Hiddensöer Kloster wurde 1535 aufgehoben und unter herzogliche Verwaltung gestellt, Abt und Mönche mit einem  Jahrgehalt abgefunden, manche wurden evangelische Prediger. Das Berger Nonnenkloster blieb nach einem Beschluß von 1541 bestehen als Versorgungsanstalt für unverheiratete Töchter des Adels, daher  sein jetziger Name: adliges Fräuleinkloster. Andere Stiftungen auf Rügen, wie das St. Jürgenhospital in Rambin, welches der Stralsunder Ratsherr Gottfried von Wickede 1334 für Aussätzige gestiftet hatte,  blieben ebenfalls bestehen und dienten fortan zur Aufnahme bedürftiger Personen. Mit den auswärtigen Bischöfen, zu deren Sprengel Rügen bisher gehört hatte, mußten Auseinandersetzungen stattfinden.  Leicht geschah es mit dem Schweriner, der 1538 selbst Protestant wurde. In Dänemark wurde zwar auch die Reformation eingeführt, aber doch wollte der Roeskilder Bischof sich den Treptower  Beschlüssen nicht fügen und seine alten Ansprüche auf Rügen, die ja seit 1168 bestanden, nicht aufgeben. Der Herzog Philipp nahm als Landesherr von Pommern und Rügen die Einkünfte und Güter des  Roeskilders auf Rügen an sich, langwierige Verhandlungen folgten, es schien zum offenen Bruch mit Dänemark zu kommen, da der König sich der bischöflichen Ansprueche annahm, bis endlich 1543 in Kiel  ein Vergleich zustande kam. Der Herzog gab Einkünfte und Güter des Roeskilder Stifts wieder frei, wogegen der König von Dänemark sich zur Belohnung eines Superintendenten auf Rügen verpflichtete,  dem an Stelle des Bischofs die Kirchen der Insel unterstellt werden sollten. Dieser Geistliche sollte vom Herzog ernannt, vom König und Roeskilder Bischof bestätigt werden. Nur drei solcher  Superintendenten hat Rügen gehabt; zu Ende des 16. Jahrhunderts wurde dies Amt aufgehoben und mit der  General-Superintendentur von Wolgast vereinigt. So war denn mit dem Jahre 1543 die  Reformation auf Rügen vollständig ein- und durchgeführt, eine katholische Reaktion ist nie eingetreten. Aber das Leben behielt noch viel von seiner vorigen Wildheit, und die sittlichen Zustände ließen noch  lange viel zu wünschen übrig, wie denn Kantzow, allerdings wohl übertrieben, sagt, daß noch um diese Zeit in ganz Pommern jährlich nicht so viel vom Adel und und anderen erschlagen würden, wie gerade  auf Rügen. Daß auch das kirchliche Leben nicht mit einem Schlage ein engelgleiches ward, läßt sich denken. Es ist uns ein köstliches Beispiel davon Beispiel davon aufbewahrt, das zugleich zeigt, wie die Idee  des allgemeinen Priestertums im rügenschen Lande lebendig war und in die That umgesetzt wurde. Der Prediger der Insel Ummanz war geschäftlich nach Pommnern verreist. Während seiner Abwesenheit  sollte ein Kind gekauft werden. Der Vater wollte oder konnte nicht zu dem benachbarten Prediger senden. Da bot ein Bauer seine willigen Dienste an und verrichtete das heilige Werk. Nachdem er dreimal  das Kind mit Wasser benetzt hatte, sagte der Vater: he schull em noch eene Gäte gewen (er sollte dem Kinde noch einen Gruß geben, d. h. noch einmal mit Wasser benetzen), damit das Kind desto  glücklicher werde. Aber der Bauer - Priester kannte den Ritus und that es nicht, und so war das Kind getauft. Als dieser "seltsame Casus" ruchbar wurde, kam der Gingster Präpositus zur Untersuchung. Der  gute Bauer saß eben auf dem Dache und deckte sein Haus, als der Präpositus ihn gewahrte und begrüßte mit den Worten "Ei, lieber Kollega, kommt doch ein wenig herunter! Da wollte der Kollega Reißaus  nehmen, wurde aber eingeholt und mußte "eine gute Weile dafür im Gefängnis pausieren". Die Reformation hatte auch wieder einmal an das Verhältnis Rügens zu Dänemark erinnert. Hatte der Herzog  Wartislaw IV. 1325 Rügen noch als dänisches Lehen empfangen, so lockerte sich das Verhältnis unter Karl IV. 1348 die Pommernherzöge damit belehnte. Waldemar IV. wußte jedoch bei seinem anfänglichen Kriegsglück die Anerkennung der dänischen Oberhoheit wieder zu erlangen. Aber unter seiner Tochter, der Unionskönigin Margareta, und deren Nachfolger Erich dem Pommer verdunkelte sich  das Verhältnis vollständig. Kaiser Sigismund belehnte den Herzog von Pommern-Wolgast auf dem Konstanzer Konzil 1417 mit Rügen, und König Erich soll nach seiner Absetzung 1438 der Wolgaster Linie  die Insel als freies Eigentum übertragen haben. Jedenfalls ist nach dieser Zeit Rügen politisch von Dänemark thatsächlich losgelöst, während die kirchliche Abhängigkeit auch noch die Reformationszeit  überdauerte. Wieder kam dann eine ernstliche Gefahr, dänisch zu werden, 1625 für Rügen. Der Herzog Philipp Julius von Pommern-Wolgast, derselbe, welcher Bergen für 8000 Mark städtische  Gerechtigkeit verlieh, wollte, um seine ewige Geldverlegenheit zu decken, die Insel Rügen mit allen Gerechtigkeiten an Dänemark verkaufen für 150 000 Reichsthaler1 die Urkunden für diesen schnöden  Handel waren schon von ihm untersiegelt, da verweigerte der Stettiner Herzog Bogislaw XIV., der des kinderlosen Philipp Lande erben mußte. Seine Zustimmung, und der Kauf unterblieb. Philipp starb  noch im selben Jahre. Aber die Gefahr, an Dänemark zu kommen, trat nach fünf Jahren noch einmal für Rügen ein, und wurde es damals auch nicht dänisch, so sollte es doch anderweitig von Deutschland  losgerissen werden  und für fast 200 Jahre politisch dem deutschen Reiche verloren sein.


 
Die älteste Kunde von der Insel
Rügen als selbständiges Reich
Swantewit und andere rügensche Gottheiten
 
Die Unterwerfung der Insel durch die Dänen 1168
Rügen unter schwedschem Zepter
Rügen ein preußisches Land
     

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