Rügen als selbständiges Reich
Rügen war bis ins 12. Jahrhundert ein selbständiges Reich
unter eingeborenen Königen; doch ist nur der Name des letzten, Tetzlav,
bekannt, unter welchem die Insel der dänischen Oberhoheit unterworfen
wurde. Das Volk aber, das diese Könige beherrschten, war ein kühnes
Schiffervolk, das, ebenso trotzig wie sein Eiland dem Sturm und Andrang
der Wogen die Stirn bot, den Gefahren des Meeres zu begegnen wußte.
Die See war sein Element, hier lag die Macht der Ranen. Und was den Ranen
auf dem Meere antraf, das betrachtete er als sein Eigentum;daher war er
der gefürchtete Pirat der Ostsee. Bald mußten auf diese Weise
andere Schiffahrt treibende Nationen die unangenehme Bekanntschaft der
Insulaner machen, besonders die Dänen. Uralt war daher die Feindschaft
zwischen den Dänen und Ranen, und je nach dem Stande der beiderseitigen
Mach twar der eine dem anderen unterworfen und zinspflichtig. Lange schwankte
auf diese Weise der nimmer rastende Kampf zwischen den Nordmännern
und den Slaven, bis zu Beginn des 12. Jahrhunderts der dänische König
Erik Eiegod dem Piratenwesen ernstlich zu Leibe ging. Er eroberte das Seeräubernest
Julin an der Mündung der Oder, dasselbe, an welches sich später
die Sage von der vom Meere verschlungenen Stadt Vineta anknüpft und
wandte sich dann gegen Rügen. Auch hier war sein Unternehmen erfolgreich.
Er unterwarf die Insel und machte sie dem Dänenreich zinsbar (1100).
Die Einzelheiten dieser Episode sind nicht bekannt, nur das eine berichtet
der dänische Geschichtsschreiber Saro Grammatikus, daß der königliche
Befehlshaber in Seeland, Skialm, den rügenschen Tribut erhoben hat.
Dieser Skialm aber ist der Großvater jenes Bischofs Absalon, der
ein halbes Jahrhundert später unserer Insel verhängnisvoll werden
sollte.
Von Annahme des Christentums war bei dieser Gelegenheit keine Rede,
und überhaupt lockerte sich das Abhängigkeitsverhältnis
Rügens von Dänemark sehr bald, da König Erich auf einer
Pilgerfahrt nach Jerusalem starb, und innere Wirren die Macht der Dänen
schwächten. Wir sehen daher nach kurzer Zeit das Seeräuberhandwerk
der Ranen wieder in voller Blüte.
Es war nun das Jahr 1110, als eine rügensche Flotte plötzlich
vor der Stadt Lübeck erschien. Diese Stadt gehörte damals zum
Reiche des christlichen Slavenfürsten Heinrich, dessen Herrschaft
sich von Holstein bis tief nach Mecklenburg hinein erstreckte. Heinrich
hatte seinen Vorgänger in der Slavenherrschaft, den Christenfeind
Cruto, meuchlings morden lassen und dann mit sächsischer Hilfe die
Herrschaft an sich gebracht. Jenen Cruto hatten die Slaven in Mecklenburg
sich selbständig zum Fürsten gewählt, weil er ihnen als
Christenfeind willkommen war;und da nun nicht lange nach seinem Tode die
Ranen in feindlicher Absicht vor Lübeck erschienen, so hat eine spätere
Geschichtsschreibung hieraus geschlossen, Cruto sei ein rügenscher
König gewesen, dessen Tod seine Landsleute jetzt zu rächen gekommen
seien. Ja man hat ihn, den Sohn Grins, auf Grund dieses Schlusses zum Großvater
des Königs Tetzlavs gemacht, und da aus Tetzlavs Geschlecht das Haus
Putbus herstammen soll, zum Stammvater dieses, sodaß Grin, Crutus,
des Slavenfürsten Vater, der älteste Ahne derer von Putbuswäre,
und dieses Haus somit seinen Stammbaum bis in den Anfang des 11. Jahrhunderts
verfolgen könne. Aber mit keiner Silbe erwähnt der Schreiber
der Geschichte des 12. Jahrhunderts, Helmold, daß Cruto ein Rane
gewesen ist, während er doch sonst diesem Volk überall eine so
genaue Aufmerksamkeit widmet, höchstwahrscheinlich war Cruto ein Slave
aus dem Obotritenlande, dem heutigen Mecklenburg.
Die rügensche Flotte erschien also vor Lübeck, um in plötzlichem
Überfall - die gewöhnliche Art der Ostseepiraten - die Stadt
zu nehmen und auszuplündern.
Aber Fürst Heinrich, der gerade dort sich befand, war ein entschlossener
Mann, dem die plötzliche Gefahr die Überlegung nicht raubte.
Er sprach zu seinem Befehlshaber in der Burg:"Ich will forteilen, um Hilfsvölker
zusammenzubringen und die Stadt womöglich zu entsetzen. Du halte deine
Besatzung bei gutem Mut und verteidige mir die Stadt vier Tage lang. Dann
werde ich auf jenem Berge erscheinen, wenn ich jetzt glücklich davonkomme.
"In der Nacht entwich er mit zwei Mann, gelangte glücklich nach Holstein,
raffte hier in der Eile die Waffenfähige Mannschaft zusammen und kam
vor der belagerten Stadt wieder an. Hier versteckte er sein Heer in den
Wäldern, daß die Ranen nichts merken sollten, und zeigte sich
dann allein auf der bezeichneten Stelle, wo er von der Burg aus gesehen
werden konnte. Groß war die Freude der Besatzung, als man ihn gewahrte,
denn schon war das Gerücht verbreitet, er sei von den Runen gefangen
genommen, und alle Hoffnung auf Rettung dahin. Er aber brachte jetzt mit
List und Macht Hilfe. Auf heimlichen Wegen führte er seine berittene
Mannschaft nach der Mündung der Trave und schlug von hier aus den
nach der Stadt ein, den die Reiterei der Ranen, die gerade auf Raub ausgezogen
war, zurückkommen mußte. Als nun die Ranen den Reiterzug von
der See herauf ankommen sahen, glaubten sie, es seien ihre Landsleute und
verließen unter Jubelgeschrei die Schiffe, um ihnen entgegenzugehen.
Da erhoben die Holsteiner ihren Schlachtruf, stürtzten sich auf die
nichts ahnenden Ranen und hieben nieder, was sich nicht in schleuniger
Flucht auf die Schiffe retten konnte. Nur wenige entrannen dem Schwerte
der Sieger, viele ertranken, und gering war die Zahl derer, die die Heimatküste
von Rügen wiederfanden. Die geretteten Lübecker aber trugen die
Erschlagenen auf eine Stelle zusammen, errichteten einen großen Grabhügel
darüber und nannten ihn zur Erinnerung an den Sieg den Raniberg.
Aber der Mut des kühnen Inselvolkes war durch diese Schlappe nicht
gebrochen, und Heinrich fehlte eine Flotte, um den Sieg ausnutzen zu können.
Auf Rache sannen die Besiegten und es gelang ihnen, einen Sohn Heinrichs,
Namens Woldemar, zu töten. Heinrich von Schmerz und Zorn gleich heftig
bewegt, war entschlossen, Vergeltung zu üben und die Ranen im eigenen
Lande anzugreifen. Er brachte ein großes Heer aus Slaven, Sachsen
und Holsten zusammen und zog mit demselben die Peene entlang nach Wolgast
(1123). Hier schickten die Ranen einen Abgeordneten an ihn, um ihm 200
Mark Bußgeld zu versprechen, denn den Angriff zu Lande fürchteten
sie sich wohl nicht gewachsen und ihre Flotte konnten sie augenblicklich
nicht benutzen, da es mitten im Winter war. Aber die Sachsen wiberrieten
dem König die Annahme und verlangten den Kampf. So zog Heinrich dann
an das Meer, nördlich von Wolgast an die Mündung der Peene. Damals
war der Zwischenraum zwischen der pommerschen Küste und Mönchgut
noch nicht so breit wie heutzutage, denn das Heer konnte von hier die rügensche
Küste liegen sehen. Es hatte stark gefroren, Eis bedeckte weithin
die See, und kühn wagte man den Übergang, "die der große
Werkmeister gebaut hatte". Den ganzen Tag dauerte der Marsch über
Eis und Schnee, beim Dunkelwerden erst betrat man den Boden Rügens,
das heutige Mönchgut. Sogleich wurden die nächstliegenden Dörfer
in Brand gesteckt. Aber als sich das Heer nun, zum Kampfe bereit in Schlachtordnung
stellte, weil man die Ranen heranrücken sah, da entsank ihnen der
Mut, und die sandten "ihren Priester", um eine friedliche Lösung
herbeizuführen. Mit Mühe gelang es diesem , gegen eine Summe
von 4400 Mark den Frieden zu erlangen. Heinrich empfing Geiseln und kehrte
Heim, um im folgenden Sommer das Geld holen zu lassen. Aber die Ranen hatten
eine schwere Verpflichtung übernommen, denn gemünztes Geld kannte
man damals auf Rügen noch nicht. Was man hier kaufen wollte, erhielt
man gegen Leinwand und andere Erzeugnisse. Gold und Silber, welches die
Ranen durch Raub oder sonstwie erworben hatten, verwandten sie entweder
zum Schmuck ihrer Frauen oder legten es im Schatze ihres Gottes nieder.
Als nun Heinrichs bevollmächtigte kamen, um die versprochene Summe
abzuholen, brachte man zwar den öffentlichen Schatz und die Familienschmucksachen
zusammen, aber die Fremden bedienten sich einer falschen Wage und kaum
die Hälfte der Summe konnte beigetrieben werden. Da rüstete sich
Heinrich zu einem zweiten Winterfeldeinzug und der Herzog Lothar von Sachsen,
der spätere deutsche Kaiser, schloss sich ihm als Bundesgenosse an
(1124).
Wieder war man glücklich über das Eis nach Rügen gekommen,
aber kaum hatte man sich dort drei Tage mit Plündern aufgehalten,
als der Frost sich legte, und mit Mühe und Not erreichte das Heer
über die morsche Brücke das Festland wieder. So war denn noch
einmal die drohende Gefahr von dem Inselreiche abgewendet. Heinrich fiel
bald danach durch Mörderhand, und sein Feind betrat von dieser Seite
her wieder den rügenschen Strand. Uneingeschüchtert durch diese
Heimsuchung im eigenen Lande fuhren die Ranen fort, Seeräuberei zu
verüben. Und jetzt, wo Heinrich wachsames Auge geschlossen war, und
sei seine Söhne im unklugen Bruderkampfe ihre Kräfte erschöpften,
gelang ihnen, was damals so unglücklich ablief. Sie überfielen
die unbewachte Stadt Lübeck, steckten die Häuser, die Kirche
und Burg in Brand, schlepptenschleppten, was von den Einwohnern nicht ermordet
war, in die Sklaverei und kehrten mit Beute beladen heim (1126). So holten
sie sich ihre Auslagen aus den vorigen Jahren mit Zinsen wieder, und mit
Angst und Schrecken nannte man an der Ostsee den Namen der Ranen.
Das trat besonders deutlich zutage, als der Bischof Otto von Bamberg,
der "Pommernapostel", nicht wenig Lust verspürte, von Usedom aus,
wo er sich auf seiner zweiten Missionreise 1128 aufhielt, den Abstecher
nach Rügen zu machen und den als als furchtbare Heiden verschrieenen
Ranen einmal ins Gewissen zu reden. Nicht genug wußten der Herzog
von Pommern, Wartislav, und andere Leute ihrem "geistlichen Vater" von
der ungeheuren Wildheit und Unabhängigkeit jener Insulaner zu erzählen,
die jeden Christen den Tod gebracht hätten, der sich an ihren Küsten
shen ließ. Und Otto setzte durch sein schmachtendes Verlangen nach
der Mätyrerkrone unterden wilden Ranen seine Begleiter geradezu in
Verzweiflung. Nicht aber eher ruhte er, als bis einer seiner Unterkollegen
Mönch Udalrich, zu Schiff stieg, um sich den Ruhm eines Apostels der
Ranen zu verdienen. Aber der Himmel war einsichtsvoller als jene verzückten
Glaubensboten, furchtbarer Sturm erhob sich und trieb den Udalrich nach
Pommern zurück, so das er durchnässt bis auf die Haut und zerzaust
vom Sturm wieder nach Usedom kam;aber ein Menschenopfer war doch nicht
unnütz hingeopfert, denn außer dem nutzlosen Märtyrerruhm
hätte er nichts erreicht. Sind doch die Ranen um diese Zeit, wo sie
von vielen Seiten her den Andrang der neuen Lehre bemerken, so erbittert
auf die Anhänger derselben, daß sie mit den jetzt so halb und
halb bekehrten Pommern allen Verkehr abbrechen, der sie bis dahin besonders
zur Zeit des Heringsfangens zusammengeführt hatte, ja sogar den offenen
Krieg gegen sie begannen. Aber so ein heiliger Mann ist hartnäckig.
Otto blieb bei seinem Vorhaben. Da wußten die rein verzweifelten
Pommern keinen anderen Ausweg, als das sie ihm sagten, Rügen sei dänisches
Eigentum, gehöre somit zum Sprengel des Erzbischofs von Lund, und
er Otto, habe also auf Rügen gar nichts zu suchen, wenn er nicht quasi
dem dänischen Erzbischof in seine Herde einbrechen wolle. Aber auch
das verschlug nichts bei dem Manne, der auf die Märtyrerkrone versessen
war. Er schickte einen Boten nach Lund an den Erzbischof Adcer und
bat um Erlaubnis zu der Rügenreise. Adcer war sehr höflich, war
aber sicher noch mehr überrascht zu hören, daß Rügen
ihm gehöre. Da mußte er doch erst mit den "Großen" Dänemarks
Rat pflegen, wie das zugehe, und was bei einer solchen unerwarteten Kunde
zu tun sei. Das nahm Zeit in Anspruch, die der Bote Otto´s nicht
hatte, weil sein Herr vor Ungeduld brannte, die Reise antreten zu können.
So entließ denn Adcer den Boten , gab ihm, wenn auch nicht den gewünschten
Pass, so doch ein Fass schöne dänische Butter mit und die tröstliche
Aussicht auf baldige Antwort. Die Butter ließ Otto sich schmecken,
wie sein Reisebeschreiber besonders hervorhebt, d´ß er aber
nicht nach Rügen kam, sondern nach Bamberg zurück mußte,
wollte ihm gar nicht schmecken. Adcer aber war froh, den lästigen
Besuch los zu sein, der ihn unangenehm an die einstige Machtstellung Dänemarks
erinnert hatte. Denn von einem Abhängigskeitverhältnis Rügens
von Dänemark war dazmal keine Rede. Auch dachte Adcer nicht im entferntesten
an Bekehrungsversuche seinerzeits auf Rügen, er kannte seine Leute
und wußte, daß dort auf der Insel die Macht des Christentums
handgreiflicher demonstriert werden müsse als mit Worten. Rügen
war also zur Zeit noch kein fruchtbarer Boden für das Christentum,
Otto aber ging damit des Ruhmes eines "Rügenapostels" oder "Rügenmärtyrers"
verlustig.
Aber hätte doch Otto von Bamberg die Dänen nicht an den heiklen
Punkt, die Insel Rügen, erinnert. Es erwacht trotz der inneren Kriege
in Dänemark das Bewußtsein wieder von der einstigen Zinspflichtigkeit
der Ranen. Und als nun Boleslav von Polen vom deutschen Kaiser Lothar
1135 mit Pommern und Rügen, für das sich dahin kein Herr gefunden
zu haben schien - und einem mußte es doch gehören - belohnt
wurde, da ward den Dänen die Sache doch zu toll.
König Erich Emund beschloß ohne weitere Anfrage bei Boleslav
(wie viel höflicher war Otto doch gewesen! ) sein vermeintliches Herrschaftsrecht
auf Rügen geltend zu machen. Zudem hatten gerade die Ranen im Bunde
mit anderen Piraten dem dänischem Reiche eine unverhoffte Visite gemacht
und Kongehella ausgeplündert. Das alles kam so plötzlich zusammen,
daß König Erich Ernst zu machen beschloß. Mit einer großen
Flotte, auf der sich sogar Reiterei befand, setzte er nach Rügen über
und landete bei Arkona 1136.
Die auf Rügen waren nicht überrascht über diesen Gegenbesuch.
Arkona, dessen Burgwall noch heute von der einstigen Befestigung des Ortes
zeugt, war gut besetzt und verbarrikadiert und für die damaligen Belagerungskünste
eine harte Nuss. Die Dänen schritten zur Carnierung. Und damit jeder
Entsatz von der Insel aus unmöglich sei, ließ König Erich
an der Stelle, wo die Schaabe an Wittow grenzt, eine Schanze aufwerfen
und bewachen. Die Vorkehrung war gut, nur die Besatzung war zu sorglos,
denn in einer stürmischen Nacht umgingen die Ranen aus dem flachen
Uferstrande die Schanze, fielen den Dänen in den Rücken und hieben
die Schlaftrunkenen nieder. Wären nicht einzelne versprengte nach
Arkona entkommen und hätten das Hauptheer alamiert, so wäre Erich
mit seinem ganzen Heer überrumpelt worden. So nun kam die Hauptmacht
heran, schlug die Ranen zurück und machte die Hoffnung auf Entsatz
zu nichte. Jetzt entsank den Arkonern der Mut und zudem plagte sie der
Durst, da die Dänen den einzigen Brunnen der Festung der unverständlicher
Weise kurz vom Burgwall lag, verschüttet hatten. Sie kapitulierten
unter dem Versprechen Christen werden zu wollen. Und mit einem bewunderungswürdigen
Eifer drängte sich alles zur Taufe, d. h. die Taufe nahmen sie mit
in den Kauf, das Wasser war die Hauptsache für die Verschmachtenden.
Dann nahm König Erich Geiseln, ließ einen Bischof für die
neuen Christen zurück und segelte heim. Das übrige Rügen,
meinte es wohl, würde dem rühmlichen Beispiele Arkonas von selbst
folgen. Aber mit dem Durst war auch das Verlangen nach der neuen Lehre
entschwunden. Kaum war König ERich nach Dänemark zurückgekommen,
als der "Bischof von Rügen" ebenfalls heimkehrte. Die Ranen hatten
ihn auf ein Schiff gebracht und an der nahen dänischen Küste
abgesetzt, höflichst verabschiedend mit dem Bemerken, daß sie
an ihrem heimischen Swantewit vorerst noch genug hätten. Das war der
Fehler gewesen, weswegen diese Erpedition der Dänen erfolglos blieb,
daß sie den Ranen ihren Swantewit in Arkona gelassen hatten. Gewiss
fühlte Erich sich nicht stark genug, die Art an die Wurzel des rügenschen
Heidentums zu legen. Er erneuerte das Unternehmen gegen Rügen nicht
und so blieb, besonders da in Dänemark Bürgerkriege anfingen
zu wüten, Rügen selbständig und bei seinem Swantewitkult.
Bald bot sich Gelegenheit, den Dänen die ausgestandene Angst heimzuzahlen.
Es war im Jahre 1147. Der heilige Abt Bernhard von Clairvaug hatte durch
seine feurigen und echt christlichen Worten: "daß die heidnischen
Slavenvölker mit Stumpf und Stil ausgerottet seien", bewirkt, daß
ein großes Heer von Kreuzfahrern sich gegen die noch heidnischen
Einwohner des heutigen Mecklenburg, die Obotriten, in Marsch setzte. Auch
die dänischen Gegenkönige Knud und Swen legten im rühmlichen
Eifer um eine so heilige Sache ihren Zwist bei und fanden sich mit einer
Flotte an der Küste zur Teilnahme ein. Aber die slavischen Festungen
Demmin und Dobin - am Schweriner See - waren für damalige Zeit uneinnehmbar,
lange dauerte die vergebliche Belagerung, und während dieser Zeit
kamen die Ranen mit ihrer Flotte den bedrängten Stammesgenossen zu
Hilfe. Die dänischen Schiffe lagen, schwach besetzt und und schlecht
bewacht, an der mecklenburgischen Küste, als plötzlich die gefürchteten
Piraten erschienen. Bischof Ascer von Roeskilde, der vom König als
Befehlshaber zurückgelassen war, verlor sogleich den Mut und rettete
sich an Land, die Schoner, die sich zur Wehr setzten, wurden besiegt, ihre
Schiffe erobert und die übrige dänische Flotte jetzt von den
Ranen belagert. In der Nacht segelte ein Teil der rügenschen Flotte
auf die hohe See und kehrte am Morgen zurück, um bei den dänen
den Schein zu erwecken, als habe man noch verstärkung erhalten. Auch
die eroberten Schiffe bemannten die Ranen und die dänische Flotte
gab sich schon verloren, als auf die Kunde von diesen Vorfällen die
Könige die Belagerung Dobins aufgabenund zu ihren Schiffen zurückeilten.
Zwar machten die Ranen sich jetzt aus dem Staube, aber die Dänen hatten
die Hälfte ihrer Flotte und Mannschaft verloren und auf einen Angriff
war keine Rede. Die Macht des ranischen Königstumes stand auf
ihrem Höhepunkt, Dänemark, von inneren Fehden weiter zerfleischt,
lag schutzlos den Räubereien der Ranen und Obotriten preisgegeben
während 10 Jahre nach diesem unglücklichem Kreuzzuge gegen die
heidnischen Slaven. Und wie sah es hier in diesen zehn Jahren aus! Seeland
war halb verwüstet, Fünen total ausgeraubt, falster den Slaven
tributpflichtig, die schleswigschen Küsten verödet. Rügens
Macht aber kam in den Ruf der Unbezwingbarkeit. Sein Swantewit spottete
auf Arkonas Höhe aller christlichen Verwünschungen, und des Volkes
Erfolge wurden seiner kräftigen Hand zugeschrieben. Ja, der christliche
Dänenkönig Swen stiftete ihm ein goldenes Trinkgefäß
in der Hoffnung sich dadurch seiner Hilfe gegen den Gegenkönig Knud
zu versichern;freilich verschlug das Mittel nichts, aber trotzdem behielt
Swantewit sein Renommee.
Sehen wir uns jetzt den alten Burschen, der im 12. Jahrhundert so viel
von sich reden machte und dessen einstiger Glanz noch jetzt die nördlichste
Spitze unserer Insel mit einem gewissen Glorienschein umgibt, etwas genauer
an. Ein gütiger Zufall hat es gefügt, daß ein Augenzeuge,
der dänische Geschichtsschreiber Saro Grammatikus, uns eine ganz ausführliche
Schilderung vom Swantewit hinterlassen hat, die genau mit dem Berichte
übereinstimmt, den der am Plöner See in Holstein lebende Geschichtsschreiber
der Slaven, Helmold, nach hörensagen zusammengestellt hat. Diese beiden
Gewährsmänner wollen wir jetzt hören. |